Liebi Winigerinne, liebe Winiger

Liebe Fahrweidlerinnen, liebi Fahrweidler

Sehr verehrte Gäste

Ich freue mich sehr, da als Gast sein zu dürfen, - in der Umgebung meiner Kindheit und meiner Jugendzeit. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Fahrweid und ans Dorf Weiningen, - ob alle Nachbarn, alle Lehrerinnen auch gute Erinnerungen an mich haben, muss ich leider bezweifeln.

Ich erinnere mich so gut an die Sonntagspaziergänge als Bube, meistens auf den Altberg oder ins Kloster Fahr, noch ohne Autobahneinschnitte, - eben über Feld und durch den Wald.

Ich erinnere mich auf den Schulweg als 1-Klässler nach Weiningen ins rote Schulhaus mit der grossen Treppe, bis Schulhaus Fahrweid den Schulweg verkürzt hat.

Ich erinnere mich an die Sek-Zeit in Weiningen als Töfflibueb mit den regelmässigen Fetz im Stägefässli, den Dorffesten und der Einweihung des Quartierzentrums Föhrewäldli

Ich erinnere aber auch daran, wie regelmässige die Grube im Hardwald gebrannt hat und die Fahrweid mit Aschestaub eingedeckt worden ist.

Ich erinnere mich auch noch an den Fährifrei und sein altes Bauernhaus bei der Limmatbrücke.

Meine Verbundenheit ist nach wie vor tief und darum verstehe ich sehr gut, wieso der Einsatz der Behörden für den Autobahndeckel am Gubristsüdportal und für die Umfahrung in der Fahrweid richtig und wichtig sind.

Als Mitglied der nationalrätlichen Verkehrskommission mache hier gerne eine Klammer auf. Alles spricht im Moment von der 2. Gotthardröhre, und wieso es notwendig sei über 2 Milliarden zu investieren, weil an einigen Wochenenden im Jahr, die Automobilisten es nicht schaffen, zu Zeiten loszufahren, an denen man dem Stau ausweichen kann. Es sind 17‘000 Fahrzeuge an den Spitzentagen durch den Gotthardtunnel, auf dem Nordring sind es aber 143‘000 Fahrzeuge täglich – also mehr als das 8-fache. Am Gotthard haben wir bald 14 Milliarden in den Gottahrdbasistunnel investiert, auch um den Transitgüterverkehr von Grenze zu Grenze auf die Schiene zu verlagern. So steht es in der Verfassung, das haben wir so in der Volksabstimmung gefordert und das muss zuerst verwirklicht werden, bevor wir über weitere Milliardeninvestitionen reden. Wenn Geld in eine Strassenlösung investiert werden muss, dann sicher eher zwischen Limmattal – Glattal und Winterthur. Hier ist der Anwohnerschutz vordringlich und jeder Franken bringt den höchste Wirkung für am meisten Personen. Ob Limmattal, Furttal oder Glattal, - wir haben Ortsumfahrungen gebaut und müssen jetzt erleben, wie der Verkehr wegen den Staus auf dem Nordring wieder durch die Dörfer drückt.

Liebe Eidgenossinnen, liebe Eidgenossen

Ich sage bewusst Eidgenossinnen und Eidgenossen. Darin steckt das Wort Genossenschaft. Und die UNO hat das Jahr 2012 zum Jahr der Genossenschaften erklärt. Nicht ohne Grund, denn das was wir mit der Bankenkrise, der Eurokrise, der Hypothekenkrise, mit der Finanzkrise in den letzten fünf Jahren erlebt haben, hat stark damit zu tun, dass die Führungskräfte in der Finanzwelt den Bezug zum Geld, zu den gesellschaftlichen Werten und zu rechtschaffener Arbeit verloren haben.

Und da ist die Besinnung auf die Eid-genossenschaft eine Chance, weil damit die schweizerische Tradition und eine fortschrittliche Alternative für die Wirtschaft und die Gesellschaft verbunden werden.

Unsere Vorfahren haben sich schon vor 1291 zu Genossenschaften zusammenfunden. Allmendgenossenschaften, gemeinsame Alpwirtschaft, Käsereien, Zuchtgenossenschaften.

  • Im Zusammenschluss hat das gemeinsame Eigentum einen direkten Nutzen zu erfüllen, für alle gleichermassen,
  • Im Zusammenschluss bleibt der Wert des Eigentums zusammen, denn kein Gewinn fliesst davon in die Tasche von einzelner Privilegierter
  • Im Zusammenschluss werden Aufgaben bewältigt, die für den Einzelnen zu gross sind
  • Im Zusammenschluss hat jeder Genossenschafter und jede Genossenschafterin die gleichgrosse Stimmkraft, unabhängig wie reich er ist.

Die Idee der Genossenschaften ist in der alten Eidgenossenschaft eine Idee gewesen, die es gebraucht hat, um sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam stark zu sein gegenüber den Adligen, die mit Reichtum und Söldnern ihren Untertanen Angst und Schrecken einjagen konnten. Und weil der arme das wenige was er hat, zum wenigen der anderen gelegt hat, ist er Bestandteil einer Schicksalsgemeinschaft geworden. Zusammen bestehen oder zusammen untergehen, - sowohl wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Aus der wirtschaftlichen Verbundenheit ist auch eine gesellschaftliche Verbundenheit entstanden.

Später haben sich wieder Menschen auch für weitere Aufgaben zusammengefunden, die Bauern in der Landwirtschaftlichen Genossenschaft oder der Milchgenossenschaft, die Arbeiter in der Konsumgenossenschaft und die Wohnungssuchenden in den Wohnbaugenossenschaften. In den Dörfern haben die Einwohnerinnen und Einwohner Genossenschaften gebildet, um  sich mit Elektrizität oder Trinkwasser zu versorgen, sogar für das Radio und das Fernsehen gibt es die Genossenschaft. Immer haben sich Menschen zusammengefunden, um aus vielen kleinen Vermögen ein gemeinsames, wirkungsvolles Kapital zu bilden und sich damit gegenüber mächtigen Organisationen zu behaupten.

EIn Gewinn bleibt in der Genossenschaft und dient allen, zum Modernisieren der Genossenschaft, zum Verbilligen der Produkte oder der Mieten; - und spekuliert wird sicher nicht mit dem gemeinsamen Eigentum.

In den letzten Jahrzehnten sind die Genossenschaften etwas aus der Mode gekommen. Das grosse Geld, der Wettbewerb, die Spekulation hat gelockt. Verschiedene Genossenschaften haben sich in AG’s verwandelt, ihre Manager haben mehr finanziellen Spielraum gewünscht. Wie zum Beispiel die Rentenanstalt; sie wurde zu swiss life und die Manager sind dann zuerst einmal in der neuen Freiheit mit Spekulieren böse auf die Nase gefallen. Andere Genossenschaften sind so gross geworden, wie etwa die Migros, so dass der Einzelne kaum mehr Einfluss nehmen kann. Offensichtlich ist die Schicksalsgemeinschaft weniger wichtig geworden. Der Wohlstand hat es für viele überflüssig gemacht, sich für den Erfolg von gemeinsamen Projekten zu engagieren.

Wenn wir zurückkommen auf gegenwärtige Wirtschaftskrise, so können wir aber feststellen. Die Ursache ist vor allem das unkontrollierte Handeln mit Geld, dass den Managern gar nicht gehört; das Jonglieren mit Werten, die nur in der Phantasie existieren und der Kreditvergabe ohne Sicherheiten vom Schuldner.

Die Verantwortlichen der UNO werden sich bei der Wahl des Jahres 2012 zum Jahr der Genossenschaften wohl auch daran gedacht haben:

Hätte es in der USA mehr genossenschaftliches Eigentum gegeben, wäre es nicht zur Immobilienkrise gekommen. Hätten die Banken (auch die Ch-Banken) nicht mit den ungesicherten Hypothekenpapier von Immobilien spekuliert, wären sie nicht ins Trudeln gekommen. Hätten sie nicht künstliche Gewinne ausgewiesen, um sich unanständig hohe Summen als Boni auszuzahlen, - dann, ja dann wäre das Eigenkapital genug gross gewesen, um die Risiken der Finanz- und Währungskrise aufzufangen.

Leider müssen wir zu Kenntnis nehmen, dass aus den gemachten Fehlern bis jetzt wenig gelernt worden ist: Die Banken zahlen nach wie vor Boni, auch wenn sie Verlust machen und sie spekulieren nach wie vor mit Finanzprodukten, die niemand versteht.

Aus den Allmendgenossenschaften alten Eidgenossenschaft lässt sich auch das Prinzip der Direkten Demokratie ableiten:

Viele Schweizerinnen und Schweizer jammern über die Politik und ihre Vertreter – die in Bern machen ja doch was sie wollen und es kommt ja sowieso niemand draus, was sie wollen.

Denken Sie daran: Sie sind Eid-Genossenschafterin, sie sind also Miteigentümerin, sie sind in der Schicksalsgemeinschaft Schweiz, sie erbringen Leistungen für die Schweiz, sie haben Anspruch auf Leistungen der Eidgenossenschaft. Sie sind aber auch mitverantwortlich für den Erfolg.  Und sie haben Einflussmöglichkeiten über die Direkte Demokratie, - wenn sie es wollen und wenn sie von ihren Rechten Gebrauch machen.

Wenn wir einige Abstimmungsresultate der letzten Jahre anschauen, können wir getrost feststellen, dass diejenigen, die sich beteiligen, es denen sehr wohl zeigen.

-          Die Zweitwohnungsinitiative ist gegen den Willen der Mehrheit der Bundesversammlung angenommen worden.

-          Die Kulturlandinitiative ist gegen den Willen der Regierung und des Kantonsparlamentes angenommen worden

-          Auch die Minarett- und Ausschaffungsinitiativen, sind gegen den Willen des Parlamentes angenommen worden, - und sie erlauben mir zu sagen, nicht zu meiner Freude.

Auch kleine Gruppen von Eidgenossinnen und Eidgenossen haben die Möglichkeit, etwas zu bewegen.

-          Zwei Frauen haben fast im Alleingang die Verwahrungsinitiative gegen Sexualstraftäter lanciert und später auch den Abstimmungskampf gewonnen.

-          Die JUSO haben als kleine Gruppe 120‘000 Unterschriften für die 1:12 Initiative gesammelt. Sie fordern eine Begrenzung der höchsten Löhne. Diese dürfen höchsten 12 x so gross sein wie das tiefste Einkommen in der Firma.

Wer sagt denn da noch, wir können ja sowieso nichts machen. In welchem anderen Land gibt so direkte Möglichkeiten mitzubestimmen. In wie vielen Ländern wird um demokratische Mitsprache gekämpft, z.T. unter Einsatz des eigenen Lebens, - und wir verzeichnen bei einzelnen Abstimmungen dann Stimmbeteiligungen vom weniger als 30%.

Ich habe vor drei Jahren in Spanien vorstellen dürfen, wie die direkte Demokratie in der Gemeinde funktioniert, - bei Politikerinnen und Politikern, die sich um mehr Bevölkerungsmitbestimmung bemühen. Mit viel Begeisterung habe ich die Gemeindeversammlungsdemokratie erklärt. Auf eine Frage musste ich dann zur Antwort geben, dass in der Regel weniger als 5% der Stimmberechtigten an die Gemeindeversammlung kommen. Die Anwesenden haben ungläubig den Kopf geschüttelt.

Unsere direkte Demokratie lebt davon, dass sich die Einwohnerinnen und Einwohner, dass Sie sich in der Gemeinde engagieren. In Vereinen und Parteien, in Institutionen wie der Feuerwehr oder dem Samariterverein oder in den Milizbehörden. Leider denken viele: „Wieso soll ich mir dies antun?“ Neben der Freizeit, die es zu Opfern gilt, ist auch das Klima rauer geworden. In den letzten Jahren sind bei vielen Politikerinnen und Politikern aber auch bei gewissen Medien Respekt und Anstand verloren gegangen. Statt den Einsatz für die Allgemeinheit zu loben, wird lieber nach einem Haar in der Suppe gesucht. Hier liegt die Ursache und die Lösung dafür, wenn wir wollen, dass sich wieder mehr Personen für die Gemeinschaft engagieren: Mehr gegenseitigen Respekt  bezeugen – unabhängig der persönlichen Eigenheiten oder der politischen Ansichten.

Wenn ich schon aus der Flughafenregion ins Limmattal komme, erlauben sie mir zwei, drei Sätze zur Flughafenpolitik:

Alle Probleme, die sich heute zeigen, sind letztlich durch die Privatisierung ausgelöst worden. Der Luftverkehr ist nicht mehr eine Aufgabe, die nach den Bedürfnissen der Wirtschaft, der Bevölkerung und der Umwelt zu erfüllen ist, sondern es muss ein möglichst hoher Gewinn für die Aktionäre erwirtschaftet werden.

Sobald man Fragen nach der Notwendigkeit oder den Risiken gewisser Entwicklungen stellt, wird einem vorgeworfen, man gefährde Arbeitsplätze. Das swissair grounding hat uns aber eindrücklich gezeigt, welche Entwicklung die Arbeitsplätze wirklich gefährdet: Nämlich eine Politik, die sich nur durch Wachstumsphantasien leiten lässt und die eigentlichen Aufgaben vergiesst. Wir tragen noch heute die Folgen des Debakels von 2002. SAir technics, avireal, swissport, swiss, gate gourmet, alles gut funktionierende Werkplätze sind ins Ausland verkauft worden und haben sich unserem Einfluss weitgehend entzogen.

-          Seit 2002 haben zwar wieder mehr Passagiere einen Flug gebucht, mehr Flüge sind aber nicht nötig gewesen. Das bestehende Pistensystem enthält darum noch die gleich grosse Kapazitätsreserve wie vor 10 Jahren.

-          Die Bewegungszahlen seit dem Höchststand im Jahr 2000 sogar um 20% verkleinert haben, trotzdem sind in den letzten 10 Jahren 53 Hauptsitze internationaler Firmen aus dem Ausland in den Kanton Zürich gezogen. Denen genügt ganz offensichtlich die verkehrsmässige Anbindung.

Wieso sollen wir jetzt für diese privaten Unternehmen einen Vertrag mit Deutschland abschliessen, der milliardenteure Pistenausbauten aufzwingt, die nicht nötig sind, aber den Lärm im Osten, Norden und Westen erhöhen wird? Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Zum Schluss möchte ich noch einen Blick auf die Herausforderungen der Zukunft richten.

Wie gehen wir mit unseren natürlichen Ressourcen um und welchen Wohlstand können und wollen wir uns leisten?

Wenn wir uns mit dem Wachstum der letzten Jahre auseinandersetzen, stellen wir fest, dass mit Wachstum nicht per se auch alle Probleme gelöst werden können. Wachstum verursacht auch Probleme: Bei der Mobilität, beim Energieverbrauch und was endlich immer stärker erkannt wird, beim Verbrauch an Boden. Der Boden lässt nicht vermehren und verbrauchtes Kulturland ist nicht ersetzbar.

Nicht die Grösse oder das Tempo, sondern die Qualität ist darum in Zukunft beim Wachstum gefragt:

-          Wir müssen den bestehenden Siedlungsraumes besser nützen und verhindern, dass weiter grossflächig auf der grünen Wiese gebaut wird,

-          Wir müssen dafür sorgen, dass attraktives Wohnen nahe der Arbeitsplatzgebiet möglich ist, damit dank kurzen Wegen unsere bestehenden Verkehrsinfrastrukturen die Mobilität bewältigen können,

-          Wir müssen die Erneuerbare Energien fördern, insbesondere die in der Nähe erzeugt werden, Wärmepumpen und Solaranlagen.  Zusammen mit effizienterer Nutzung können wir den Ausbau von grossen Starkstromleitungen verringeren.

Diese Herausforderungen werden nicht ohne Opfer zu bewältigen sein:

-          Weniger Bauland und bereits überbaute Areale verteuern das Bauen und damit das Wohnen

-          Wenn Benzin und Billettpreise steigen, um kürzere Pendlerdistanzen zu fördern, betrifft das unser Portemonnaie empfindlich

-          Die Energiewende wird nur mit höheren Energiepreisen umsetzbar sein

Wenn wir dies aber nicht aufbringen, so werden wir die Aufgaben den nahfolgenden Generationen überbürden, die Folgen mit viel grösseren finanziellen Opfern korrigieren müssen.

Aber seien wir ehrlich, wir jammern gerne und oft auf sehr hohem Niveau. Unsere Eid –Genossenschaft hat uns einen gemeinsamen Wohlstand gebracht, der auf die Solidarität von arm und reich gründet. Auch wenn dies bei einigen Privilegierten in den letzten Jahren bei einigen gar leichtfertig verdrängt wird. Gerade etwa bei der Umwelt – beim Lärm, der Luftbelastung und der Sicherheit - sitzen wir alle im gleichen Boot.

Welches Land kennt zum Beispiel eine so gute Altersvorsorge, - auch wenn die Beitragsätze steigen werden, oder der Umwandlungssatz vielleicht nochmals gesenkt werden muss, so bleiben die Leistungen für den dritten Lebensabschnitt immer noch weltweit zu den besten, - und das für den ganz grossen Teil der Bevölkerung, nicht nur für die Begüterten.

 Orientieren wir uns darum zuerst an allem, was wir haben und was wir uns doch leisten können. Bestätigen wir uns gegenseitig – gerade am 1. August-, dass wir uns weiterhin als Schicksalsgemeinschaft verstehen und gegenseitiger Beistand keine leeren Worte sind. Sie, ihr, du und ich engagieren sich dafür, dass unsere Eidgenossenschaft eine fortschrittliche Genossenschaft von allen Einwohnerinnen und Einwohner bleibt.

Damit wünsche ich uns allen einen schönen Nationalfeiertag.