Immer wenn die Medien wieder über eine unerklärliche Straftat berichten, erklingt der Schrei nach mehr Kontrolle. Tatsächlich müsste man meinen, dass es die heutigen technischen Hilfsmittel  mit der Informatik, der Videoüberwachung, unzähligen Datenbanken, DNA-Tests und vielem mehr, ermöglichen sollten, potentielle Verbrecher an Straftaten zu hindern.

Wenn es um den andern geht, kann mir richtige Kontrolle nicht genug sein, aber meine Privatsphäre ist mir heilig und ich möchte niemanden ranlassen. Beides ist nicht erfüllbar. Über das Ausmass der Kontrolle wie über die Unantastbarkeit der Privatsphäre sind Diskussionen notwendig und absehbare Entwicklungen genau zu hinterfragen.

 

So wären wir sicher froh, wenn auf dem Chip unserer Krankenkassenkarten für den behandelnden Arzt wichtige Informationen zugänglich wären: Medikamentenunverträglichkeiten, frühere Erkrankungen, Allergien, Patientenverfügung und anderes mehr. Wollen wir aber, dass die Krankenkasse das auch weiss, wenn es um den Abschluss einer Zusatzversicherung geht?

Wie einfach wäre es, wenn wir nicht mehr Bahn, Bus, Trambillette lösen müssten, sondern ein Chip meine Reise speichert und mir am Monatsende die Rechnung auf dem Konto belastet würde. Wollen wir aber, dass all unsere Wege, Begegnungen und  Aufenthaltsorte aufgezeichnet werden?

„Wer nichts zu verstecken hat, der kann doch nichts gegen das Informationensammeln haben“, wird gerne gesagt. Natürlich. Kaum jemand wird sich dagegen wehren, dass ein prügelnder Chaot auf einer Videoüberwachung erkannt wird. Wenn Sie aber zufällig zehn Minuten vorher auf der gleichen Kamera aufgezeichnet wurden, sind Sie doch verdächtig, Mitbeteiligter oder Sympathisant zu sein.

Es sind auch gar nicht die einzelnen Informationen, die uns bedrohen, es ist die Zusammenführung von verschiedenen Daten aus unterschiedlichen Quellen, ohne unsere Einflussnahme: Die schwarze Liste der Inkassobüros mit den Cumulus-Karten Daten, mit den Krankenkassendaten, mit dem Bussenregister, mit den Facebookeinträgen und weiteren Aufzeichnungen.

Die neuste beunruhigende Entwicklung zeichnet sich beim vermeintlichen Gewinn durch die allgemein zugänglichen Gentests ab, mit denen scheinbar jeder potentiellen Krankheit präventiv begegnet werden könnte. Mittels Analyse des Erbmaterials können Informationen zu Krankheitsrisiken und allfälligen vererbbaren Anlagen herausgefunden werden. So könnte Alzheimer prognostiziert werden oder schon bei einem Kleinkind angegeben werden, ob es zuckerkrank wird. Soll aber eine mögliche Krankheit bereits aufwändig behandelt werden, obwohl niemand weiss, ob sie im Verlaufe das Lebens überhaupt ausbrechen wird? Und wie wird jemand vor unerwünschten Informationen geschützt, wenn ein Familienmitglied über einen Gen-Test Familienkrankheiten herausfindet? Der Markt mit Gen-Tests boomt. Wie wird sichergestellt, dass nur seriöse Angebote auf dem Markt sind, und dass Test-Ergebnisse nur unter fachkundiger Beratung mitgeteilt werden?

So wichtig das Streben nach Wissen und neuen Forschungsergebnissen auch ist, es konfrontiert uns auch mit ethischen und gesellschaftlichen Fragen. Und zurück zum Anfang des Artikels: Ich muss mir die Frage stellen, wie viel Sicherheit will ich und wie viel persönliche Freiheit bin ich bereit, dafür aufzugeben.

Thomas Hardegger

Gemeindepräsident, Nationalrat