Die SVP feiert den Abstimmungserfolg zur „Abschottungsinitiative“ vom 9. Februar 2014, derweil die nationale SVP erschreckt vom ungewollten Erfolg bereits nach möglichst hohen Zuwanderungskontingenten ruft.

Aber der hohe Anteil an Ja-Stimmen in der Agglomeration verlangt nach Erklärungen. Dabei gehören sicher nicht alle Agglo-Gemeinden zum „Speckgürtel“ um die Stadt Zürich, wie dies der Tages-Anzeiger den zustimmenden Gemeinden unterschiebt. Ganz im Gegenteil, es sind wohl die wachstumskritischen Stimmen, die sich angesichts der starken Veränderungen in den letzten Jahren gemeldet haben. Wachstum selbst, muss nicht negativ sein, nur sollte es allen zu Gute kommen.

Der Profit des Wachstum ist in letzten Jahren aber zunehmend einseitiger verteilt worden. Die Einwohnerinnen und Einwohner, die trotz Vollzeitstelle mit dem Lohn nicht alle Kosten für die Familie bestreiten können; alle Personen, die sich keine Ferien leisten können; alle Betagten, die mit der AHV die Taxen für die Pflege- und Gesundheitskosten nicht alleine bezahlen können; alle Menschen, die nach der Sanierung des Wohnhauses in der Stadt, die neue Miete nicht zahlen können und aus der Stadt verdrängt werden; sie alle müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Einkommensschere zwischen den Höchst- und Normalverdienenden weiter aufgeht. So gesehen ist der hohe Ja-Anteil mehr Ausdruck eines hohen Anteils an Menschen in wirtschaftlicher Bedrängnis als etwa von Fremdenfeindlichkeit, ÖV-Verdrossenheit oder Entsolidarisierung zwischen jung und alt. Und sie sind - wie eine Umfrage gezeigt hat - sicher nicht gegen die bilateralen Verträge mit der EU gerichtet.

Es ist auch nicht das Wachstum selbst, sondern es sind die negativen Begleiterscheinungen wie hohe Mieten, fehlende Ausbildungsplätze, überfüllte S-Bahnen und Busse sowie höhere Integrationsaufwendungen für zugewanderte Familien, die  viele auch nicht bürgerliche Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu einem Ja verleitet haben. Die SP hat seit Jahren immer wieder auf diese Versäumnisse hingewiesen, aber weder Volkswirtschaftsminister Schneider Ammann noch Aussenminister Burkhalter haben im Abstimmungskampf je ein Wort zu den Sorgen des Mittelstandes und der weniger gut gestellten Einwohnerinnen und Einwohner verloren.

Das Ja der Initiative ist umzusetzen, wie es der Volkswille verlangt. Die SVP hat „gewonnen“, nun soll sie die Verantwortung für die Verhandlungen mit der EU mittragen, damit die schweizerische Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze durch die Abschottung nicht bedroht sind. Wir werden sehr genau darauf achten, dass nicht diejenigen, die im Abstimmungskampf vergessen gingen, wieder die Leidtragenden sein werden. Bereits im Mai kann mit der Mindestlohninitiative eine Reaktion gezeigt werden und bald folgen auch Abstimmungen zum preisgünstigen Wohnungsbau, zu den wachsenden Gesundheits- und ungerechten Bildungskosten.