Für eine moderne, weltoffene Schweiz

Bundesfeier 2014 – Alterszentrum Rümlang

Liebe Rümlangerinnen und Rümlanger, Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sehr verehrte Damen und Herren

am 1. August feiern wir den Geburtstag der Eidgenossenschaft, dies ist immer auch eine gute Gelegenheit,

  • um über die Fragen der Zeit nachzudenken;
  • zu überlegen, warum es uns in welchen Bereichen gut geht,
  • wo wir vor Herausforderungen stehen und wie wir sie bewältigen können.

Es ist wohl unbestritten, dass wir zwar in einer Gesellschaft leben,

  • in der die meisten Menschen sozial abgesichert sind;
  • in der sich die meisten Einwohnerinnen und Einwohnerinnen mehr leisten können, als sie es für ihren Grundbedarf und ihren Alltag benötigen

Trotzdem besteht in weiten Teilen der Bevölkerung auch eine gewisse Verunsicherung.

  • Bleibt der Wohlstand gesichert?
  • Finden wir uns in der Welt, die sich scheinbar immer schneller verändert noch zurecht?

Es gibt Kreise, die bei diesen Fragen, sogar die Schweiz in ihrer Existenz bedroht sehen. Um sich in der eigenen Welt abzusichern, wird alles, was als besonders schweizerisch empfunden wird, unter Heimatschutz gestellt. Es wird alles verherrlicht, was man als urschweizerisch empfindet und am liebsten darf daran nichts verändert werden.

 

Ja, es geht uns in der Schweiz gut.

Ja, wir machen auch einiges gut, einiges sogar viel besser als andere Länder:

  • Unser Ausbildungssystem mit den Berufslehren ist zum Beispiel vorbildlich.
  • Die Löhne sind vergleichsweise hoch, die Arbeitslosenquote tief und Verschuldung des Staates und der Privaten geringer.
  • Natur- und Landschaftsschutz, das Recycling von Rohstoffen, erneuerbare Energien können gefördert werden.  
  • Unsere Altersvorsorge ist so gut,  dass das viele Pensionskassengeld in der Immobilienwirtschaft bereits für Spekulationskäufe eingesetzt wird.
  • Und unsere direkt demokratischen Instrumente ermöglichen es jeder Schweizerin und jedem Schweizer viele Entscheide der Politik mitzubestimmen.

Aber haben wir Schweizerinnen und Schweizer das alles alleine geschaffen?

  • Wir wohnen in Häusern, die von italienischen, kroatischen oder portugiesischen Maurern gebaut worden sind,
  • unsere Spitäler und Alterszentren dürfen auf die Mitarbeit einer Vielzahl von ausländischen Mitarbeitenden zählen,
  • wir haben Arbeit, weil unsere Maschinen, Uhren, Medikamente und Schokolade in der ganzen Welt gekauft werden,
  • unsere Löhne sind so hoch, weil die ausländischen Produkte, die in der Tschechei, der Türkei, in Indien, Korea, Brasilien oder Mozambique dank tiefen Löhnen für uns so günstig sind,
  • ins Restaurants bedienen uns Zugewanderte, und Müll entsorgen ebenfalls Migrantinnen und Migranten

 

 

Das schmälert unsere Leistung, unsere Tugenden und unsere Geschichte in keiner Weise. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit dem Ausland viel stärker verbandelt sind, als wir dies wahrhaben wollen. Und das ist nicht neu, vielleicht erleben wir es intensiver als früher, aber die Geschichte zeigt, dass wir immer vielerlei Beziehungen zum Ausland gepflegt haben und häufig auch darauf angewiesen sind.

Mit unserer Geschichte meine ich nicht die Geschichte um unseren Volkshelden Wilhelm Tell, wo jeder das hineininterpretieren kann, was er will. Ich denke an die Geschichte von unserem Bundesstaat; der Schweiz, die im 19.Jahrhundert das Fundament für die moderne Schweiz gelegt hat:

  • Die Einführung des Schweizer Frankens für die ganze Schweiz,
  • die Aufhebung der Grenzen zwischen den Kantonen,
  • die Einführung von Mehrheitsentscheiden bei Uneinigkeit der Kantone
  • Die Niederlassungsfreiheit für alle Schweizerinnen und Schweizer in allen Schweizer Kantonen 1866.
  • Die Grundrechte in der Bundesverfassung, die die Glaubens- Gewissens-, die Rede- und die Versammlungsfreiheit garantiert; die Menschenrechte und die Persönlichkeitsrecht ganz allgemein
  • Und die Zuwanderung hat die Schweizer Wirtschaft beflügelt:
    • So gründete der deutschstämmige Henri Nestlé 1866 die erste Fabrik, die lösliches Milchpulver herstellte, daraus ist der Weltkonzern Nestlé entstanden.
    • Walter Boveri, als einer der Gründer von Brown, Boveri, &Co., der heutigen ABB stammte aus ebenfalls aus Deutschland.
    • Die Liste lässt sich mit Hayek, Ringier oder Blocher erweitern, alles Dynastien, die im letzten und vorletzten Jahrhundert zugewandert sind. Haben wir sie nicht alle bestens integriert? Einige besser als andere, das stimmt.

Natürlich haben sie Erfolg gehabt, weil sie in der Schweiz gute Angestellte und passende Rahmenbedingungen gefunden haben, z.B. gute Ausbildung, Rechtssicherheit, gute Infrastrukturen und verlässliche Behörden.

Das sind unsere Leistungen, hervorragende Leistungen. Aber ehrlicherweise müssen wir auch anerkennen, haben wir wohl auch von äusseren Einflüssen profitiert, vereinfacht ausgedrückt, „auch Glück gehabt“. Werfen wir doch einen Blick über die Grenzen:

  • Wir sind von Kriegen verschont geblieben.
  • Unwetter treffen auch uns, aber selten gefährden sie Leib und Leben, für Sachwerte sind wir oft versichert.
  • Oder denken wir an die Millionen von Flüchtlinge, die heute wegen einem Bürgerkrieg ihre Heimat verlassen müssen, an die Familien, die auseinandergerissen werden.
  • Oder an die Menschen, die wegen Hunger und Armut ihr Land verlassen müssen.
  • Oder die Frauen, Männer und Kinder, die gegenwärtig durch Krankheitsepidemien gefährdet sind, weil ihnen keine funktionierende Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht.

Betrachten wir all dies, dann sollte uns unsere besondere, vorteilhafte Situation bewusst sein.

Ja, uns geht es gut. Nicht weil wir besser sind, sondern

  • weil wir uns immer wieder auf neue Situationen gut eingestellt haben,
  • weil wir mit dem Ausland die Zusammenarbeit und nicht die Konfrontation gesucht haben.
  • Weil wir mit unserer humanitären Tradition uns als Teil der Welt und nicht als Bewohner einer Insel verstanden haben.
  • Weil wir auch mit der direkten Demokratie Rücksicht auf Minderheiten genommen haben und nicht auf die Macht des Stärkeren gesetzt haben.
  • Weil wir zwar die Vergangenheit beachten, aber auch zukunftgerichtet weiterforschen und die Zusammenarbeit mit anderen suchen und pflegen, und darum zu den wettbewerbsfähigsten Ländern gehören.

 

Diese moderne Schweiz sichert uns den Erfolg, Frieden und Wohlstand. Diese Weltoffenheit

  • braucht manchmal etwas Mut,
  • erfordert auch die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen,
  • verlangt, dass wir Fremdes kennen- und schätzen lernen.

Gefährdet in unserer schweizerischen Eigenheit sind wir dann wirklich,

  • wenn wir überheblich werden,
  • wenn wir glauben, besser zu sein als die anderen,
  • undankbar werden gegenüber denen Staaten, die uns Zusammenarbeit anbieten,
  • wenn wir uns abschotten und das Glück in der Abgrenzung suchen.

 

Was ich jetzt zur Schweiz gesagt habe, trifft im Kleinen auch auf Rümlang zu.

Die Gemeinde verändert sich, sie wächst, sie wird noch vielfältiger, als sie schon ist. Wir alle gehören dazu und können unseren Beitrag leisten, dass Rümlang die wohnliche Gemeinde bleibt wie sie ist und dass sie dort noch wohnlicher wird, wo sie sich verbessern lässt.

Mit dieser Feier heute im Alterszentrum und später auf dem Dorfplatz haben wir den Anfang gemacht.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine schöne Bundesfeier.