(Votum im Nationalrat 24.9.2015)

Meine Parlamentarische Initiative verlangt, dass Spitalinfektionen versicherungsrechtlich analog Unfällen zu behandeln sind.

Zur Veranschaulichung präsentiere ich drei Fälle, wie sie in ähnlicher Art an den Beratungsstellen regelmässig vorgetragen werden:

  • Eine Pflegefachfrau im Teilpensum und alleinerziehende Mutter wird wegen Schmerzen in der Schulter durch die berufliche Überbelastung mit einer Cortisonspritze behandelt. Sie wird mit antibiotikaresistenten Keimen infiziert. Die Folge davon sind zwei Operationen an der Schulter, unerträgliche Schmerzen und ein langer Arbeitsausfall.
  • Ein 25-jähriger Fussballprofi und Familienvater erleidet eine Sportverletzung. Bei der Operation kommt es zu einer Infektion. Das bedeutet das Karriere-Ende und führt zudem zu einem Berufswechsel mit langer Umschulung- bzw. Ausbildungszeit.
  • Eine Kauffrau muss ihre Augen im Spital behandeln lassen. Sie wird bei der Behandlung mit Spitalkeimen infiziert, worauf sie auf einem Auge erblindet und zu 70% invalid wird.

Wer zahlt nun den Selbstbehalt auf die unverschuldeten Folgebehandlungen? Wer kommt für den Versorgerschaden auf? Wie wird den körperlichen und seelischen Leiden Rechnung getragen, die das Leben des Opfers und ihrer Angehörigen stark belasten, und womit sie bei der ursächlichen Behandlung nicht rechnen mussten?

Alle Beispiele zeigen Opfer, die durch Infektionskeime geschädigt wurden. Alle haben den Charakter eines Unfalls, wenn Unfall wie im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrecht (ATSG) oder des Unfallversicherungsgesetz (UVG) definiert ist: „Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.“

Genau das trifft auf die Spitalinfektion zu: Sie tritt plötzlich auf, ist nicht beabsichtigt, sie schädigt und wird durch einen ungewöhnlichen äusseren Faktor verursacht.

  • Und die Folgen sind immer gravierend, mit grossen Schmerzen verbunden, Nachbehandlungen werden notwendig und führen im schlimmsten Fall zum Tod.
  • Nun kann die Spitalinfektion nicht als Berufsunfall und nicht als Berufskrankheit betrachtet werden, aber ernsthaft zu prüfen wäre die Anerkennung der nosokomialen Infektionen als Nichtbetriebsunfall. So ist etwa der Zeckenbiss durch die Gerichtspraxis als Unfall anerkannt. Wenn die Definition des Unfalls nach ATSG auf den Zeckenbiss zutrifft, muss in Analogie die Spitalinfektion eigentlich auch gedeckt sein.
  • Was ändert sich für die Betroffenen, wenn die Spitalinfektion versicherungsrechtlich als Unfall behandelt wird? Für die unverschuldeten Folgen der Behandlung ist kein Selbstbehalt zu entrichten und bei einem bleibenden Gesundheitsschaden erfolgt eine Integritätsentschädigung. Zusätzliche Leistungen hängen von der individuellen Situation ab. Etwa wenn Versorgerschäden entstanden sind, Hilfsmittel notwendig werden oder in einem Fall mit Todesfolge, Renten auszurichten sind.
  • Die Gesamtzahl der Fälle, die die Folge einer Spitalinfektion sind, wird nicht sehr gross sein und die Ängste der Unfallversicherer vor grossen Kostenfolgen sind unbegründet. Die Bedeutung für die einzelnen Anspruchsberechtigten, die unverschuldet Opfer durch eine medizinische Behandlung geworden sind, ist aber enorm.
  • Bei meinen eingangs aufgeführten Beispielen könnten alle Betroffenen mit einer Integritätsentschädigung rechnen, was angesichts der unverschuldeten schmerzhaften Behandlungsfolgen zwar ein schwacher, aber wichtiger Trost ist. Auf jeden Fall entfällt der Selbstbehalt für unverschuldete Folgebehandlungen.
  • Ich bitte Sie deshalb meiner Parlamentarischen Initiative Folge zu geben.

(Der Nationalrat hat die Parlamentarische Initiative mit 97:65 Stimmen abgelehnt.)