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31. Mai 2009

Das Grundstück im Baurecht nutzen

Land an guter Lage ist teuer. Als Alternative zum Kauf kommt die Nutzung auf Zeit wieder in Mode. Für Gemeinden und Landeigentümer bietet das Baurecht zahlreiche Vorteile. Von Stefan Hartmann

 

Die leerstehende Villa mit Seeanstoss steht an bester City-Lage und ist entsprechend begehrt. Ein schöner Garten und ein Boots- und Badehäuschen gehören dazu. Das 1923 erbaute, denkmalgeschützte Ensemble war erst vor ein paar Jahren fachgerecht saniert worden. Per Inserat suchte die Stadt Zürich als Eigentümerin Interessenten – für eine Nutzung auf Zeit.

Vor zwei Wochen erhielt ein begütertes Paar, sie Zahnärztin, er Banker, den Zuschlag. Für die nächsten 60 Jahre dürfen sie sich in dem Bijou einrichten. Denn das Grundstück, auf dem die Villa steht, gab es nur im Baurecht, das Land bleibt in der Hand der Stadt.

«Bauland ist das Tafelsilber jeder Gemeinde», ist Thomas Hardegger überzeugt. In vielen Gemeinden ist der Boden zum knappen Gut geworden, sagt der Gemeindepräsident von Rümlang. Die Kommunen sollten es daher vermehrt im Baurecht abgeben, statt zu verkaufen. So bleibe auch für kommende Generationen etwas übrig. In der Gemeinde im Zürcher Unterland, unweit des Flughafens, hat das Baurecht eine bald 50-jährige Tradition.

Dem damaligen Gemeindepräsidenten Hans Jost gelang es, den Gemeinderat dafür zu gewinnen, dass die Grundstücke in einem grossen Industriegebiet im Baurecht abgegeben werden. Sein Nachfolger Thomas Hardegger ist heute überzeugt: «Wenn Land verkauft wird, ist die Gefahr gross, dass der Erlös wird, das heisst in die laufende Rechnung einfliesst oder für Steuersenkungen benutzt wird.» Beim Baurechtszins hingegen handle es sich um einen nachhaltigen Ertrag, mit dem die Gemeinde jährlich fest rechnen kann.

Siedlungsentwicklung lenken

Rümlang hat seit 1960 mehr als 40 Baurechtsverträge abgeschlossen. Derzeit fliessen so jährlich 1,3 Mio. Fr. in die Gemeindekasse. «Hätten wir diese Einnahmen nicht, müssten die Steuern um etwa 10% erhöht werden», sagt Hardegger. Die meisten Verträge betreffen Industrieland in der Industriezone der Gemeinde.

Mit einem Baurechtsvertrag kann die Gemeinde in beschränktem Masse aber auch Einfluss auf die Nutzung der Gebäude nehmen, etwa wenn der Baurechtsnehmer Unterbaurechtsverträge ausstellt. «Die Gemeinde kann Einspruch erheben, wenn unerwünschte Nutzer wie etwa das Erotikgewerbe einziehen möchten.» Ein starkes Argument für das Baurecht sei auch, dass eine Gemeinde selber Eigentümerin von Brachen und Bauland bleibe. Damit könne sie auch besser Einfluss auf die Siedlungsentwicklung nehmen, meint Hardegger weiter. Einen Zinsverlust durch Konkurs gab es in Rümlang bisher erst einmal. In diesem Fall hätte die Gemeinde das Gebäude aus der Konkursmasse übernehmen müssen, doch die Gläubigerbanken fanden doch noch einen neuen Nutzer.

Baurecht wird in erster Linie für das Gewerbe erteilt. Bei Wohnbauprojekten verkauft Rümlang den Boden, sofern kein Eigenbedarf besteht. Im Dorfzentrum wurde kürzlich Land im Baurecht an eine gemeinnützige Stiftung zum Bau von Alterswohnungen im «Haus am Dorfplatz» abgegeben, und zwar zu einer Sonderregelung: Die Stiftung muss keinen Zins zahlen, dafür werden die Wohnungen und die weiteren gemeinnützigen Vermietungen vergünstigt. So kommt das Geld auch wieder der Allgemeinheit zugute.

Das Beispiel Rümlang habe bisher wenig auf andere Gemeinden in der Gegend ausgestrahlt, bedauert Hardegger. Immerhin hat das Baurecht in der Deutschschweiz aber deutlich mehr Tradition als im Tessin oder in der Romandie. Die Stadt Bern etwa weist 356 Baurechtsverträge mit 12 Mio. Fr. jährlichem Zinsertrag auf. Kleinere Städte wie Uster haben 31 Baurechtsverträge mit einem Zinsertrag von 400 000 Fr. Die Stadt Zürich hat 198 Baurechtsverträge in ihren Büchern, davon allein 93 mit gemeinnützigen Bauträgern und Stiftungen abgegeben; die jährlichen Zinseinnahmen betragen 22,7 Mio. Fr.

Umstrittene Wohnprojekte

In Zürich gab das Thema Baurecht schon im letzten Herbst zu reden – im Zusammenhang mit dem Areal Winkelwiese. Die Stimmbürger hatten in einer Abstimmung einem reichen Privatmann städtischen Boden an bester Lage im Baurecht für 62 Jahre zur Nutzung überlassen. Er zahlt der Stadt für die zwei zum Abbruch bestimmten Gebäude 4,5 Mio. Fr. sowie einen jährlichen Baurechtszins von 210 000 Fr.

Das Projekt sei sozial und ökologisch nicht verträglich, sagten die Kritiker. Die Befürworter argumentierten, spätere Generationen hätten die Gelegenheit, die Liegenschaft beim Heimfall günstig zu erwerben, und könnten dann wieder frei über das wertvolle Grundstück samt Liegenschaft verfügen. Auch die Zahnärztin und der Banker, die in der Villa Moser am See einziehen, müssen für ihr Wohnrecht einiges bezahlen: 3,2 Mio. Fr. für das Gebäude sowie einen jährlichen Baurechtszins von immerhin 250 000 Fr.

Landvergabe:Geringer Bedarf an Eigenkapital
Anders als bei der Pacht, wo Land und Gebäude sowie alle Kosten für Erstellung und Unterhalt im Besitz des Verpächters bleiben, sind beim Baurecht Gebäude und alle Kosten für Erstellung und Unterhalt beim Baurechtnehmer. Das Baurecht ermöglicht es Investoren, ein Bauvorhaben zu realisieren, ohne das hierzu erforderliche Land kaufen zu müssen. So reduziert sich der Eigenkapitalbedarf erheblich, da der teure Bodenerwerb entfällt. Dies ermöglicht etwa jungen Familien einen früheren Zugang zu Wohneigentum.
Anstelle eines Kaufvertrages wird ein Baurechtsvertrag abgeschlossen, für maximal 100 Jahre. Eine Kostenindexklausel kann den Zins im Laufe der Zeit erhöhen. Wird das Baurecht nicht verlängert, fällt es heim. Beim Heimfall kann der Baurechtsgeber das Objekt zum Zustandswert erwerben (Art. 779 ff. ZGB). Ein Baurecht ist übertragbar. Das Baurecht wird im Grundbuch eingetragen und kann zum Beispiel mit einer Hypothek belastet werden. S. Hartmann