Der Landbote

Donnerstag, 8. September 2011 Winterthur

 

Wie schlimm ist die Situation und wie soll die Schweiz auf die wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren? Sieben Ständeratskandidaten haben am «Landbote»-Podium ihre Rezepte dargelegt. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein.


 

Pascal Unternährer

 

In entspannter Atmosphäre haben die sieben Ständeratskandidaten der grossen Parteien am «Landbote»-Podium über die Frankenstärke und die Rezepte gegen die drohende Wirtschaftskrise geredet. GLP-Ständerätin Verena Diener liess einmal durchblicken, dass sie nicht viel dagegen hätte, weiterhin mit dem Freisinnigen Felix Gutzwiller das Zürcher Tandem im «Stöckli» zu bilden. Beide zeigten sich als routinierte Politprofis, die mit ausgleichenden Voten niemanden aufschrecken. Nur einmal platzierte Gutzwiller eine Spitze, und zwar ausgerechnet gegen SVP-Herausforderer Christoph Blocher. Im Ständerat sollte nicht parteipolitisch und allzu emotional diskutiert werden, wünschte sich der FDP-Mann. Blocher selbst sorgte für die meisten Lacher und demonstrierte seine Gabe, mit träfen Sprüchen das Publikum zu vereinnahmen. Er verbrachte einen ruhigen Abend, da er keine Provokationen lancierte und seine Hauptgegner Thomas Hardegger (SP) und Balthasar Glättli (Grüne) ebenfalls auf harte Angriffe verzichteten. Hardegger hatte einzelne starke Momente, blieb aber weitgehend blass. Glättli liess wie üblich rhetorische Fähigkeiten aufblitzen und vermochte sich am besten argumentativ hervorzuheben. Urs Hany (CVP) und Maja Ingold (EVP) zeigten einen soliden Auftritt, ohne zu glänzen.

 

«Es wird zu einer Rezession kommen», ist SVP-Kandidat Christoph Blocher überzeugt. Er scheint über den Befund aber nicht allzu besorgt zu sein. Seit den 1970er-Jahren gebe es alle sechs Jahre ein Auf und Ab. «So ungefähr stand es schon im Alten Testament», sagte er locker und strahlte Diskussionsleiterin und «Landbote»-Chefredaktorin Colette Gradwohl an. «Für einmal teile ich Herrn Blochers Meinung», sagte EVP-Kandidatin Maja Ingold. «Aber jetzt gilt es, eine neue Balance zu finden.» Auch für FDP-Ständerat Felix Gutzwiller ist die Situation «ernst». Sorgen macht er sich über die Geschwindigkeit – etwa des Frankenzerfalls vor der Intervention der Nationalbank. Er erinnerte aber daran, dass die Schweiz auch während der letzten Krise 2008/09 immer noch Schulden abgebaut hat. CVP-Kandidat Urs Hany pflichtete bei und jammerte: «An der Krise sind Länder schuld, die sich über Massen verschuldet haben. Und wir müssen nun damit umgehen.»

«Angespannt» sei die Situation nicht wegen der Euro-Schwäche, befand hingegen GLP-Ständerätin Verena Diener, sondern wegen der nicht nachhaltigen Wirtschaft und Lebensweise. Sie zeigte mit dem Finger auf die Banken, unterstrich aber umgehend, dass es die Politik war, welche die Finanzinstitute gewähren liess. Deshalb brauche es einen Totalumbau der Wirtschaft, folgerte der Grüne Balthasar Glättli, der die Lage aber «nicht so ernst» beurteilt. SP-Kandidat Thomas Hardegger wiederum sorgt sich vor allem um Arbeitsplätze und um die sich öffnende Einkommens- und Vermögensschere: «Der Mittelstand verliert», sagte er.

Staatshilfe vs. Kampfflieger

Was ist zu tun? «Das Dümmste», so Hardegger, wäre, jetzt für fünf Milliarden Kampfflieger zu kaufen. Erstens brauche es sie nicht, und zweitens gehe das Geld ins Ausland, sagte er und wurde vom 250-köpfigen Publikum im Winterthurer Casino-theater beklatscht. Der Rümlanger Kantonsrat sprach sich für die Unterstützung von Unternehmen aus. Der Staat solle jetzt seine Aufträge vergeben, statt zu sparen. Blocher widersprach heftig: «Genau das führt in die Verschuldung», rief er in den Saal. Man solle vielmehr die Betriebe mittels Senkung der Steuern, Abgaben und Gebühren entlasten. Gutzwiller pflichtete bei und sagte maliziös: «Im Ständerat machen wir das auch, statt nur davon zu reden.»

Das rief den Zürcher Gemeinderat Glättli auf den Plan: «Die Bürgerlichen kennen nur ein Drei-Punkte-Programm: Steuern senken, Steuern senken und nochmals Steuern senken.» Dabei habe genau diese Deregulierungspolitik zu entfesselten Finanzmärkten und letztlich in die Krise geführt, welche «die Kleinen jetzt ausbaden müssen», sagte er unter Applaus. Nationalrätin Ingold warnte vor einem Ausbluten des Staats: «Das Geld wird dann im Sozialen fehlen.» «Nicht hyperventilieren», schlug Diener erst einmal vor. Abbau von Bürokratie und Innovation seien nun gefragt. Gefördert werden soll vor allem die Cleantech-Wirtschaft. Das findet auch Nationalrat Hany: «Man muss im Bereich der Zukunftstechnologien Arbeitsplätze schaffen. Die Unternehmen sind gefordert.»

Blocher: Lachen statt angreifen

Die Diskussion war nicht der grosse Schlagabtausch. Die Kandidierenden gingen pfleglich miteinander um – fast so wie in der «Chambre de réflexion». Das lag daran, dass Blocher bestens gelaunt, aber nicht angriffig war, Glättli und Hardegger ebenfalls auf Opposition «light» machten und die amtierenden Ständeräte sich nicht aus der Ruhe bringen liessen.

 

Die Podiumsteilnehmer: Balthasar Glättli (Grüne), Thomas Hardegger (SP), Verena Diener (GLP), Christoph Blocher (SVP), Colette Gradwohl, Felix Gutzwiller (FDP), Maja Ingold (EVP), Urs Hany (CVP)