Wochenspiegel Nr. 21

Merck Serono hat ihren Aktionären eine 20%-ige Dividende ausbezahlt, - im gleichen Jahr wie sie die Schliessung ihres Werk in Genf bekannt gibt. 1350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlieren ihre Stellen. Nicht nur sie, auch ihre Familien und viele Kleinbetriebe, die ihre Kunden verlieren, bekommen den Kahlschlag zu spüren. Weil der Eigentümer Ernesto Bertarelli lieber segelte, verkaufte er sein Unternehmen nach Deutschland, strich die Milliarden ein und überliess die Forscher, Laboranten, Lageristen, Chauffeure  und kaufmännischen Angestellten ihrem Schicksal.

 

Bei jeder Entlassungsankündigung steigen die Aktienwerte. Haben wir deshalb die Steuern für die Aktionäre gesenkt? Und mit der Unternehmenssteuerreform II sogar teilweise abgeschafft? Altbundesrat Merz sagte damals, das wäre für die Kleinbetriebe wichtig und würde zu Steuerausfällen von lediglich einigen Millionen führen. Das Bundesgericht hat inzwischen festgehalten, dass wir bei der Volksabstimmung wissentlich irregeführt worden sind. Denn es werden mindestens 47 Milliarden sein, die die Grossaktionäre von Versicherungen und Banken in den nächsten paar Jahren nicht zahlen müssen. So hat Glencore-Chef neben dem Lohn noch steuerfreie Dividenden von 103 Millionen kassiert, die Familie Jacobs 118 Millionen. Und die vom Staat gerettete UBS kann nun Milliarden an steuerfreien Dividenden auszahlen, nebenbei schenkt sie als Hauptsponsor noch Millionen an die Formel 1.

Gemäss Bundesverfassung hat jeder und jede nach seiner „wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ zu steuern - die Begüterten mehr, die weniger Gutbetuchten weniger. Von allen Steuergesetzrevisionen der letzten Jahre haben nur die hohen Einkommen profitiert. Mit der Vorlage zum Steuergesetz „Nachvollzug des Unternehmenssteuerreformgesetzes II des Bundes“ geht dieses Spiel weiter. Der Kanton wird rund 60 Millionen verlieren, die Gemeinden zusammen an die 70 Millionen. Kapitalsteuern sind aber eigentlich der Beitrag der Unternehmen an Unterhalt der Strassen, die sie beanspruchen; für eine Feuerwehr, die im Notfall, bereit steht; für die Schulen, die ihre zukünftigen Mitarbeiterinnen ausbilden und für die Sicherheit in Gemeinden und Städten.

Die letzten 15 Jahre sind geprägt durch eine gewaltige Umverteilung bei den Einkommen und Vermögen. Zwischen 1998 und 2008 sind die Löhne der 25% tiefsten Einkommen real gerademal um 2% gewachsen, beim bestbezahlten Prozent der Lohnbezüger aber um 11%. Das reichste Prozent der Steuerzahlenden besitzt heute gleich viel Vermögen wie die restlichen 99%. Mit jeder Steuersenkung verstärken wir dies noch, weil mehr Leistungen nicht über einkommensabhängige Steuereinnahmen sondern über höhere Taxen und Gebühren bezahlt werden. Diese sind für alle gleich: höhere Billettpreise, höhere Selbstbehalte, höhere Gebühren müssen. Dies schadet zudem der Wirtschaft: Wenn den knappen Haushalten das Geld fehlt, kaufen sie weniger, machen weniger Ferien, gehen weniger aus. Eine zweite Jacht auf dem Mittelmeer vom Herrn Bankdirektor bringt der Schweizer Wirtschaft hingegen nichts.

Jahrelang hat der Slogan „runter mit den Steuern“ bei den Wahlen gezogen. Nun scheint ein Umdenken stattgefunden zu haben. Mit der Abschaffung der Pauschalsteuer und dem Nein zur Abschaffung der höchsten Progressionsstufe sind ungerechten Steuerprivilegien ein Riegel geschoben worden. Mit dem Nein am 17.Juni zum Steuergesetz bietet sich eine neue Gelegenheit.