Juni 2010 - Die Politik sollte voraus schauend Entwicklungen steuern, damit unsere nachfolgenden Generationen nicht auf den Problemen sitzen, die wir nicht gelöst oder gar selber geschaffen haben. Das habe ich mir jedenfalls vorgestellt, als ich mich für ein politisches Amt zur Verfügung gestellt habe. Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann lese ich nicht viel davon, wie wir den dringensten Herausforderungen begegnen wollen. Dafür finde ich Skandale und Tragödien zu Hauf: Dritt-Klass Promis in falschen Kleidern oder ein verstauchter Knöchel der Nation oder die Rechnung für eine Hunderettung durch die Feuerwehr.

Immer öfter bestimmen die Medien, worüber die Politik per sofort und wie beraten und beschliessen muss.

 

  • Da wird in den Medien über das Problem der missachteten Frauenrechte bei Burkaträgerinnen diskutiert, von denen es an die 200 in der Schweiz gegeben soll (0.003% der Schweizer Bevölkerung). Dabei nehmen wir hin, dass zwei Millionen Schweizerinnen weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen in der gleichen Funktion verdienen.
  • Da wird durch die Journalisten über die Höhe und die Menge der Verkehrsbussen gelästert - etwa in den Tempo 30 Zonen der Wohnquartiere.  So schnell sind die Kinder und die Seniorinnen vergessen, die im Strassenverkehr verletzt werden oder gar ihr Leben verlieren.
  • Da fordern die Medien die flächendeckende Impfung gegen die schweinisch gefährliche Grippe, auch wenn ausser bereits geschwächten Personen niemand Schaden an der Grippe nimmt, Niemand stört sich offenbar aber daran, dass Spitäler, Kliniken, Heime und Sanatorien sich auf Privatpatientinnen ausrichten und die grosse Menge der „unrentablen“ Kranken lieber anderen Instituten „zumuten“.

Was für die Medien, und offenbar deren Konsumentinnen und Konsumenten interessant ist, kann definitiv nicht als die ultimativen Herausforderungen an die Menschheit bezeichnet werden. Mit ihrer reisserischen Art der Berichterstattung bestimmen sie mehr und mehr die Themen in der Politik. Letztlich auch über die „geeigneten“ Politiker, denn diese haben sich den Regeln der Themensetzer zu unterwerfen. Immer öfter glauben sie auch, bestimmen zu können, welche Politikerin wieso und wann zurücktreten soll oder abgewählt werden muss.

Dabei ist es ihnen egal, ob der Mensch Fehler macht, überfordert ist oder faul ist. Wichtig ist ihnen, dass sie bestimmen können, wer jetzt in dicken Schlagzeilen präsentiert wird.

Immer seltener wird in den Medien um die Lösung von Problemen gestritten. Wenn dann doch in der Arena oder im Talk am Sonntag „politisiert“ wird, dann geht es selten darum, Probleme zu lösen, aber immer werden sich scheinbare Skandale an den Kopf geworfen. Es ist so einfach, sich an den Einschaltquoten und Verkaufszahlen zu orientieren, einen Beitrag für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Bewältigung anstehender ernsthafter Probleme leisten sie damit nicht.

Manchmal wünsche ich mich auf eine Insel. Nicht um zu flüchten, sondern einfach um einmal etwas Zeit zu haben, vom Alltagsgeschäft und Mediendruck losgelöst, nachzudenken, wie wir den wirklichen Fragestellungen begegnen und der Medienfalle entfliehen können.

 

Thomas Hardegger