September 2010 - Es ist still geworden um die Flutopfer in Pakistan. Neue Schlagzeilen haben die menschlichen Tragödien der Naturkatastrophe aus den Medien verdrängt. Die Berichterstattungen aus Pakistan rücken in den Hintergrund, werden kleiner und kürzer. Noch vor wenigen Tagen waren doch die Hilferufe unüberhörbar und die Glückskette vermochte Hunderttausende zu dringend benötigten Hilfsbeiträgen bewegen.

 

„In Pakistan beginnt in zwei Monaten der Winter. Millionen Flutopfer brauchen deshalb dringend ein Dach über dem Kopf, um die kalte Jahreszeit überleben zu können. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.“ Tages-Anzeiger vom 6.9.2010

Die Reportagen haben auch mich bewegt, aber ich muss zugeben, mir ist es ebenfalls so ergangen: Kaum sind die Schlagzeilen verstummt, nehmen mich andere Themen in Beschlag.

In der Berichtserstattung über die dramatischen Auswirkungen der ausserordentlich heftigen Monsunregen wurde zudem kaum jemals nach den Ursachen gefragt. Natürlich, zuerst braucht es die Soforthilfe für die von Hunger und Krankheit bedrohten Menschen. Doch wir müssen uns auch die Frage stellen, wieso die Wetterphänomene weltweit immer extremer werden: Die Trockenzeiten und Dürren werden länger, die Gewitter heftiger, die Temperaturdifferenzen innerhalb des gleichen Tages immer grösser. Der Präsident von Guatamala, Alvaro Colom, spricht von der Aggression der Natur, die auf die Eingriffe des Menschen reagiert. Er muss es wissen, erlebt er doch die Folgen ausserordentlicher Niederschläge mit Schlammlawinen und 30‘000 obdachlosen Menschen hautnah. Überschwemmung in Pakistan, Erdrutsche in Guatemala, Dürre in der Sahelzone, unbezähmbare Waldbrände in Russland, Hurrikans über Kuba, Unwetter im Himalaya -– alles Schlagzeilen der letzten Wochen. Die Folgen von Gletscherschmelze, vermehrten Hochwassern und Waldbränden sind bei uns zwar um ein Vielfaches weniger dramatisch, doch sie nehmen auch bei uns zu.

Auch wenn die Korruption die Folgen der Hochwasser verschärft hat, auch wenn Terrorbanden die Situation auszunützen versuchen; am Anfang stehen die Unwetter. Die Veränderung des Weltklimas hat uns Menschen aller Nationen zu einer Schicksalsgemeinschaft gemacht.

Als Einwohner eines Landes der industrialisierten Welt tragen wir massgeblich bei zum Co2-Ausstoss und zur Klimaerwärmung bei. Damit sind wir mitverantwortlich für die Zunahme der Klimaextreme. Wir sind gefordert, weil viele dieser Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren und hoffen, bei uns unter günstigeren klimatischen Bedingungen ein neues Leben anzufangen. Während wir diskutieren, wie wir die Zersiedlung durch Verdichtung der Ortszentren begrenzen können, gehen ganze Landstriche durch den Anstieg der Meereshöhe für Millionen von Menschen verloren. Auch wenn wir es schaffen, weniger fossile Energieträger zu verbrennen, wird sich die Erwärmung des Weltklimas nur verlangsamen, und erst in Jahrzehnten zu stoppen sein. Als Mitverantwortliche für die Klimaerwärmung stehen wir in der moralischen Pflicht, uns an der Hilfe zu beteiligen. Zudem ist die Umstellung auf klimaschonende Energieformen mit Bestimmtheit günstiger zur haben, als die Folgen der klimabedingten Naturkatastrophen zu tragen, - für uns und besonders für unsere nachfolgenden Generationen.

Pakistan ist weit weg, die Menschen sind uns fremd, ihre Lebensumstände und ihre Kultur unbekannt. Doch wir leben auf der gleichen Erde, - und damit sind Sie und ich den Menschen Pakistans wieder sehr nah.

Thomas Hardegger