Dez 2010 - Nicht nur die Detailhändler haben um die Weihnachtstage Hochbetrieb. Auch die Beratungstelefone, Anlaufstellen, Notaufnahmen, Frauenhäuser und „Schlupfhäuser“ sind gefordert. Gerade in den Tagen, in denen ein idealisiertes Familienleben in allen Werbespots und Inseraten in unerreichbare Höhen gelobt wird, gibt es Menschen, die dieses Gefühl nicht so zu erleben vermögen: Da sind die Alleinstehenden, die sich ausgeschlossen und vergessen fühlen, da sind aber auch die Familien, die selten so lange Zeit so eng zusammen sind wie über die Festtage.

 

Vielleicht finden Sie es unpassend, über unweihnachtliche Schicksale zu schreiben, auch wenn sie Tatsache sind und ihre Zahl Jahr für Jahr ansteigt. Trotzdem bleibt es bittere Realität, dass die Selbstmordraten und die Anzahl Ereignisse häuslicher Gewalt gerade in diesen Tagen besonders hoch sind.

Bei stressbedingten Kurzschlusshandlungen, so zeigt die Statistik, werden die leicht verfügbaren Schusswaffen in den Haushalten zu bevorzugten Hilfsmitteln. So ist nachweislich jeder vierte Suizid auf eine Schusswaffe zurückzuführen. Das ist nicht verwunderlich, ist doch davon auszugehen, dass in jedem dritten Haushalt eine Schusswaffe liegt, - ein grosser Teil sind Armeewaffen.

Auch bei der häuslichen Gewalt spielen die Schusswaffen eine unrühmliche Rolle. Über zweieinhalbtausend Mal musste die Zürcher Polizei im Jahr 2009 wegen häuslicher Gewalt eingreifen. In mehr als der Hälfte der Fälle waren Familien mit minderjährigen Kindern betroffen. Familienmorde ereignen sich nicht so häufig, doch in den Medien bleiben sie tagelang das bestimmende Thema und verzweifelten Familienvätern stellen sie sich als einen vermeintlichen Lösungsweg für ihre Probleme dar. Schlimm und oft traumatisierend sind die Erlebnisse für die Frauen und Kinder auch dann, wenn sie weniger tragisch enden. Viel häufiger wird die Waffe in der Beziehung nämlich als Drohinstrument eingesetzt. „Wenn du nicht …, dann habe ich noch ….!“

Dass in unseren Haushalten nicht mehr so viele Waffen so leicht verfügbar sein sollen, ist auch das Anliegen der Volksinitiative „Schutz vor Waffengewalt“, über die wir am 13. Februar abstimmen. Die Annahme wird nicht verhindern, dass Menschen verzweifeln, aber das Risiko, dass die Waffen im Haushalt Schrecken verbreiten und Schaden anrichten, wird doch  wesentlich vermindert. Der traurige Tod unserer Ski-Vizeweltmeisterin Corinne Rey-Bellet hat uns das Risikopotential eindrücklich vor Augen geführt. Die leichte Verfügbarkeit der Schusswaffe hat der nach aussen scheinbar so glücklichen Familie ein schreckliches Ende bereitet; drei Menschen verloren ihr Leben und der dreijähriger Kevin wurde zum Vollwaisen.

Ich hoffe sehr, dass Sie die Feiertage friedlich, festlich und erholsam begehen können. Ein Freundin von mir ermöglicht ihren erwachsenen Kindern jedes Jahr vor, an Heiligabend ihre Freunde und Bekannten  einzuladen, solche bei denen sie vermuten, dass bei ihnen keine Familienfeier stattfindet. Diese Idee gefällt mir sehr gut. Wir sollten es uns gut gehen lassen, die ganzen Festtage in friedlichem Zusammensein geniessen können und genug Zeit für einander haben. Zwischendurch sollten wir jedoch auch an die Menschen denken, die das nicht erleben dürfen. Ein Gespräch, eine Karte, eine Einladung an Bekannte und Freunde, alle leisten einen Beitrag dazu, dass sich weniger Menschen an Weihnachten einsam fühlen.

 

Thomas Hardegger