Juli 2011 - Bald dürfen wir wieder den pathetisch vorgetragenen 1. August Reden lauschen und in vielen Ansprachen wird an unsere Heimatliebe appelliert. Doch - was ist Heimat?

„Heimat ist dort, wo man keine Angst haben muss“, sagte einst Bundesrat Willi Ritschard.  Kurz und treffend. „Keine Angst haben müssen“ heisst doch, dass ich mich sicher fühle in der Umgebung, in der ich lebe: Sicher, weil ich nicht von Krieg oder Erpressung bedroht bin; sicher, weil die Vorsorge fürs Alter und für den Fall von Krankheit garantiert ist; sicher, weil ich als Einwohner mitentscheiden kann, welche Regeln im Zusammenleben unserer Gesellschaft gelten; sicher, weil die Umwelt hoffentlich weder durch berstende Atomkraftwerke noch durch Lärm und Luftverschmutzung unbewohnbar gemacht wird.

Als Heimat empfinde ich das Dorf oder das Quartier, in dem ich lebe und arbeite. Viele Gesichter sind mir bekannt, ich kenne die Treffpunkte der Einwohnerinnen und Einwohner und weiss, wann welcher Verein einen Anlass für die Dorfgemeinschaft organisiert. Auch Personen, die anderer Meinung sind als ich, vermitteln mir heimatliche Gefühle, weil ich mit ihnen diskutieren kann und wir dann zusammen oft eine gute Lösung für ein Problem finden. Freiwillig verlasse ich einen solchen Ort nicht, - und das geht auch den zuwandernden Zürcher Oberländern, den Bündnerinnen, den Deutschen, den Polinnen und Eritreern nicht anders.

Gerne erzähle ich anderen Menschen mit einigem Stolz von den Besonderheiten meiner Heimat: in der Nachbargemeinde über unsere Vereinsvielfalt, im Nachbarkanton von den intakten Landschaften des Unterlandes und im Ausland über die Vorzüge unserer direkten Demokratie. Die Liebe zur Heimat kennt keine Parteigrenzen, wohl unterscheiden sich jedoch die Gründe für den „Patriotismus“. Während ich die Sprachen- und Kulturenvielfalt, das dichte Schienenverkehrsnetz oder das Berufsausbildungssystem als schweizerische Qualitäten empfinde, so beschämen mich die Fluchtgelder der Diktatoren auf den Schweizer Banken, die Abzockerlöhne oder die latente Fremdenfeindlichkeit.

„Heimat ist dort, wo man keine Angst haben muss“. Dem müssen wir Sorge tragen. Gezielte Angstmacherei schafft Misstrauen, verunsichert die Menschen und bauscht Probleme auf, statt bereitstehende Lösungen in die Tat umzusetzen. Als mutige Gesellschaft sind wir immer wieder in der Lage fast Unmögliches zu schaffen: Den Eisenbahntunnel durch den Gotthard im 19. Jahrhundert oder die Einführung der AHV/IV und der Kranken- und Unfallversicherung. Die Innovationskraft unserer Wirtschaft hat immer geholfen, sich auf neue Entwicklungen einzustellen und so weisen wir seit Jahrzehnten eine im europäischen Vergleich tiefe Arbeitslosigkeit aus.

Grosse Leistungen sind nur möglich, wenn Zuversicht, Mut und Einsatz die Angst besiegen. Ich freue mich darüber, dass ich immer wieder Menschen treffe, die den Herausforderungen nicht ängstlich ausweichen oder sich damit begnügen, einen Schuldigen für anstehende Probleme zu finden.

Heimatliebe, wie ich sie verstehe, fordert uns und verlangt vorausschauende Investitionen, aber sie belohnt uns auch mit Gemeinschaftsgefühl und Sicherheit.