September 2009 - Betrachtet man die Karte der Agglomeration Zürich, stellt man fest, dass diese bis in den Aargau und den Kanton Schwyz reicht, - und alle Unterländer Gemeinden werden zur Agglomeration Zürich gezählt. Braucht es nun die Gemeinden noch, wenn wir von aussen betrachtet doch nur als Anhängsel der Stadt Zürich gelten? - Das hängt davon ab, was wir unter Gemeinde verstehen und was wir von der Gemeindeorganisation erwarten.

 

Nun, ich erwarte von der Gemeinde zuerst einmal ganz nüchtern, dass sie mir die für mich notwendigen Dienstleistungen gut und günstig anbietet: die Feuerwehr soll mich rechtzeitig retten, der Bus pünktlich abfahren, das Bauamt die Baubewilligung sofort aushändigen, meinem Kind einen Krippenplatz bieten, die Polizei das gestohlene Velo finden, mir für das Alter einen Platz im Alterszentrum bereithalten. Gut, aber dies alles könnte man ja auch von Zürich aus organisieren, das eine oder andere vielleicht sogar noch günstiger.

Wenn ich jedoch von meiner Gemeinde Rümlang erzähle, dann berichte ich auch nicht in erster Linie von den Dienstleistungen, sondern von der Lebens- und Aufenthaltsqualität: den nahen Naturräumen; den schnellen Verbindungen in die Stadt, hinaus in die Welt und auf Feld und Wald. Und ganz besonders von den vielen Anlässen, die die Menschen im Dorf zusammenbringen. Auch mein Nachbar erzählt von seinen Spaziergängen im Naturschutzgebiet und meine Nachbarin schwärmt von der Bibliothek mit ihrem Angebot. Meine Bekannte schätzt, dass sie alle Bewohnerinnen im Mehrfamilienhaus kennt, und dass man sich bei den Besorgungen aushilft. Die Kinder spielen auf den verkehrsberuhigten Strassen oder auf dem gemeindeeigenen Spielplatz mitten im Dorf und neu Zuziehende bewundern den gut erhaltenen, historischen Dorfkern.

Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie viele Rümlangerinnen und Rümlanger, die nach einigen aufregenden Jugendjahren in der Stadt zurück ins Dorf ziehen. Warum wohl? Die freien Wohnungen sind hier nicht günstiger und zahlreicher, im Gegenteil. So muss es wohl die Suche nach dem Heimatgefühl sein, ein Heimweh sogar, das sich etwa darin ausdrückt, dass man wieder in der Nähe von Freunden und Bekannten aus Jugendzeit leben oder die vertrauten Institutionen, das Vereinsleben und die Aktivitäten in der Gemeinde geniessen möchte.

Fast alle Gemeinden unterliegen einem immerwährenden Spardruck, mal ist er durch die Wirtschaftslage verursacht, mal wird er durch einen imaginären Steuerwettbewerb unter den Gemeinden begründet, fast immer ist er ehrlicherweise selbstgewählt. Alle Dienstleistungen sollen qualitativ gut sein, aber ja nicht viel für die Bezügerinnen kosten. Gleichzeitig soll die Gemeinde die Wohnqualität mit gemeinschaftsfördernden Aktivitäten und Freizeitangeboten steigern. - Nun , Sie und ich und er und sie haben es in der Hand zu entscheiden, was wir uns leisten können und uns leisten wollen. Bald werden die Gemeindevoranschläge und die  Gemeindesteuerfüsse diskutiert. Die Forderungen nach Senkung der Steuern und diejenigen nach mehr Ausgaben zu Gunsten der Wohnqualität werden ausgetauscht. Wer sich in die Diskussion einmischt, kann mitbestimmen, - und kann mitbestimmen, ob wir eine lebenswerte Umgebung pflegen wollen und die Mittel dafür auch aufzubringen bereit sind oder ob wir uns auf reine Verwaltungstätigkeiten beschränken sollen, die man auch aus der nicht so fernen Stadt erledigen kann.

Thomas Hardegger