«Viel Schmerz und Leid könnten vermieden werden»
nachgefragt bei Thomas Hardegger, Nationalrat/Gemeindepräsident – Zürcher Unterländer 29.8.2013

Sie haben sich mit einem Vorstoss im Nationalrat für eine verbesserte Hygiene in den Kliniken eingesetzt.

Mich beschäftigt, dass sich an die 70 000 Menschen mit Spitalkeimen infizieren und etwa 2000 Menschen gar daran sterben – dies ohne die Langzeitpflege mit zu berücksichtigen. Ein Drittel davon liesse sich mit eingehaltenen Hygienemassnahmen

vermeiden. Das heisst, viel Schmerz und Leid könnte ohne grossen Aufwand vermieden werden.

Weshalb werden Hygieneregeln in den Krankenhäusern nicht eingehalten?

Oft ist der Zeitdruck schuld, aber auch fehlende Instruktion, und manchmal ist einfach Gedankenlosigkeit der Grund. Solange die Spitaldirektionen keine Konsequenzen befürchten müssen, sind sie nicht gezwungen, die Hygieneregeln durchzusetzen.

Welche Folgen hat die teilweise mangelhafte Hygiene für die Patienten und das Gesundheitssystem?

Für die Patienten bedeutet das zusätzliches Leiden, eine längere Behandlungszeit oder zusätzliche Operationen. Die Folgen sind Gesundheitskosten von geschätzten 250 Millionen Franken und 300 000 zusätzliche Pflegetage.

Sie forderten behördliche Vorgaben, welche die Krankenhäuser zwingen, sich an klare, einheitliche Hygieneregeln zu halten. Ist schon etwas passiert?

Die öffentliche Diskussion hat immerhin dazu geführt, dass dem Thema mehr Beachtung geschenkt wird. Einige Spitäler nehmen die Regeln angesichts drohender zusätzlicher Vorschriften ernster. Aber erst wenn im Infektionsfall das Spital beweisen muss, dass es alle Vorkehrungen dagegen getroffen hatte, werden sich die Zahlen verbessern.

Zum ersten Mal hat die ANQ Zahlen veröffentlicht – ein Schritt in die richtige Richtung?

Ja, natürlich. Eine tiefe Infektionsrate ist ein Qualitätsmerkmal für ein Spital, und die Spitäler sollten sich über die Qualität definieren und nicht über die Kosten, die im Infektionsfall dann doch höher ausfallen.

Was halten Sie davon, dass die Spitaler ab nächstem Jahr beim Namen genannt werden sollen?

Das ist sehr gut. Die Spitäler werden sofort auf Qualität setzen müssen, schon damit werden einige unnötige Infektionen und Leid vermieden.

Birgt eine Veröffentlichung nicht auch die Gefahr von Fehlinterpretationen?

Nicht wenn die Namen und Zahlen mit umfassender Information veröffentlicht werden, denn es ist klar, dass nicht jede Ausrichtung eines Spitales mit den gleichen Risiken behaftet ist. Den betroffenen Personen sollte auch Beratung – zum Beispiel durch die Patientenstelle – zur Verfügung stehen.

Was halten Sie von Massnahmen wie dem Einsatz eines Hygienemobils?

Die Händehygiene ist einer der wichtigsten Bereiche in der Hygiene, darum ist sie sinnvoll.Aber das reicht natürlich nicht. Eine Institution – ob Spital, Pflegeheim oder Praxis – muss die gute Hygiene zum Teil «ihrer Politik» machen: beim Personal und bei den Abläufen. Wünschenswert wäre ein konsequentes Patientenscreening. Dabei untersuchen Spitäler bei der Aufnahme die Patienten mit einem einfachen Test, ob sie Keimträger sind und entsprechend behandelt werden müssen. Auch sollten Hygieneabläufe bei der Pflege, bei Operationen und Verlegungen standardisiert werden und alles Personal in regelmässigen Abständen weitergebildet und sensibilisiert werden. (cab)