Am Mittwoch fand im Chiletreff Kollbrunn der vierte Abend der SP Turbenthal-Zell über Demokratie mit Nationalrat Thomas Hardegger statt.
Kollbrunn – Nationalrat Thomas Hardegger ist auf mehreren politischen Ebenen tätig. Früher war er im Kantonsrat und jetzt ist er Gemeindepräsident von Rümlang. Seine Engagements sind vielfältig. Er ist Mitglied vom Schutzverband der Bevölkerung vom Flughafen Zürich und engagiert sich für den Fuss- und Veloverkehr sowie für die Alpen-Initiative. Im Nationalrat ist Thomas Hardegger Mitglied der Kommission Verkehr und Fernmeldewesen. Diese und noch einige zusätzliche Spezialgebiete kristallisierte Esther Schmid Heer von der SP Zell bei der Begrüssung heraus. «Dies waren nur ein paar Rosinen aus deinem vielfältigen Engagement und wir freuen uns auf einen Bericht aus deiner reichen Erfahrung auf diesen verschiedenen Ebenen und vor allem im Nationalrat. » Ein provokativer Titel «Ich habe einen sehr provokativen Titel zugeteilt bekommen, nämlich «Die da oben in Bern». Ich werde darauf eingehen», begann der Referent seine Ausführungen. Ein Bild mit dem leeren Ratssaal zeigt den Unterschied zwischen dem immer voll besetzten Kantonsratssaal und den leeren Plätzen im Nationalratssaal. Deshalb ist die Frage «Was machen die da oben in Bern?» eigentlich berechtigt. «Man muss einfach wissen, dass die Arbeit eines Nationalrats nicht nur im Saal stattfindet, |
sondern auch in den Kommissionen. Diese tagen unter Umständen auch während den Nationalratssitzungen. Wichtig ist einfach, dass sie zu den Abstimmungen wieder anwesend sind.» Die Haltung den Politikern und Politikerinnen gegenüber habe sich in den letzten Jahren dramatisch verändert, erklärte der Referent. Die Bevölkerung fragt sich, ob die Parlamentarier noch eine Beziehung zur Bevölkerung haben, oder ob sie völlig abgehoben sind, eben «die da oben». Es gibt Politiker, die sich weniger mit den Menschen beschäftigen als vielmehr Information von Interessensverbänden beziehen und sich womöglich instrumentalisieren lassen. «Ich selber möchte mich unabhängig halten, was aber nicht so einfach ist. Man wird von den Lobbyisten regelrecht bombardiert und belagert und bekommt einen Haufen Post von Verbänden und Interessengruppen, die probieren auf sich aufmerksam zu machen.» In letzter Zeit gibt Sinn oder Unsinn des Lobbyismus viel zu reden. Sich dem Einfluss der vielen Interessensverbände zu entziehen ist nicht immer einfach und es hilft nur, wenn man immer wieder im Austausch steht. Für den Referenten ist es wichtig, viele Kontakte mit der Bevölkerung zu haben, damit er spüren kann, wie all das Beschlossene in der «Gemeinde |
unten» ankommt. Die Aufgabe als Gemeindepräsident ist dazu ideal, weil dort ein Austausch stattfindet. Auch der Austausch in der Sektion muss gepflegt werden. «Dort bekomme ich zu hören, was ich falsch gemacht habe und was anders oder besser sein sollte.» Diese Rückmeldungen seien für die Arbeit im Nationalrat sehr bedeutend, damit er nicht die Bodenhaftung verliere. «In den vielen Verbänden, bei denen ich Mitglied bin, erfahre ich, wie Besprochenes umgesetzt wird.» Die Direkte Demokratie In der Schweiz hat in wesentlichen Fragen das Volk grundsätzlich das letzte Wort. Trotzdem geht das Völkerrecht dem Landesrecht vor, auch wenn sich das Volk nicht dazu äussern kann. Die Ausschaffungsund die Zweitwohnungs-Initiativen bereiten diesbezüglich echte Probleme. Das Parlament besteht aus einem zweifachen System, nämlich aus dem Nationalrat und aus dem Ständerat. Die Arbeit ist dadurch ganz verschieden von derjenigen im Kantonsrat, wo es nur ein Gremium gibt. «Wenn ich etwas durchbringe im Nationalrat, so bedeutet das überhaupt noch nichts. Das ist nur die Hälfte, denn jetzt muss es an die zweite Instanz.» Damit das Parlament etwas schafft braucht es einen Auftrag. |
Das kann eine Motion eines Parlamentariers sein der findet, dass sich etwas ändern muss. Es kann auch der Bundesrat sein, der das Gefühl hat, dass ein Gesetz in die Jahre gekommen sei und dass es angepasst und geändert werden muss. Vielfach ist es ein Auftrag, der aus einer Volksinitiative entsteht. Es müssen drei Phasen durchlaufen werden: die Vorparlamentarische, die Parlamentarische und die Nachparlamentarische. Bei der Parlamentarischen Initiative arbeitet das Parlament selber die Aufgabe aus. Bei den Motionen wird dem Bundesrat der Auftrag gegeben, etwasauszuarbeiten. Der Gesetzesentwurf geht dann in die Vernehmlassung. Die interessierten Kreise, die Parteien und die Kantone können Stellung dazu nehmen. Aufgrund der Reaktionen macht der Bundesrat einen Vorschlag in Form einer Botschaft, welche zur Beratung ans Parlament geht. Nun kann die Angelegenheit zwischen Nationalrat und Ständerat hin und her geschoben werden. Wenn keine Differenzen zwischen den Räten mehr bestehen gelangt die Vorlage zur Schlussabstimmung. Wird beim dritten Mal keine Einigung erzielt, auch nicht in der Einigungskonferenz, dann ist die Vorlage gestorben. Das alles braucht sehr viel Zeit und darum kann es Jahre gehen, bis ein Gesetz verabschiedet werden kann. |
Diese Prozesse veranschaulichte der Redner mit zum Teil bekannten Beispielen. Seine Ausführungen zeigten, dass «die da oben in Bern» hart arbeiten, was bei den Zuhörern zu einem neuen Verständnis für unsere demokratischen Strukturen führte. Zum Schluss machte Thomas Hardegger darauf aufmerksam, dass die direkte Demokratie auch missbraucht werden kann, indem unnötige Initiativen gestartet werden, die nicht dem Volk, sondern lediglich zur Profilierung gewisser Parteien dienen. Die anschliessende Diskussion war angeregt und konträr und animierte die Anwesenden zum Nachdenken. Ruth Krüsi |