Carmen Walker Späh (FDP) will den Dialog mit den Fluglärm-Kritiker intensivieren. Aber schon mit ihrem ersten Auftritt als Volkswirtschaftsdirektorin lief aber einiges schief.

(Tages-Anzeiger - Erstellt: 10.09.2015, 04:24 Uhr)

 

Von Liliane Minor Redaktorin Zürich und Region @MinorLili 04:24

Schon nach 100 Tagen im Amt weht Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) ein steifer Wind um die Ohren. Grund: Am letzten Freitag trat sie zum ersten Mal vor die Medien und erklärte unter anderem, wie sie sich die künftige Flughafenpolitik vorstellt. Sie kündigte an, den Dialog intensivieren zu wollen. In der Vergangenheit seien die Bürgerinnen und Bürger oft enttäuscht worden. Gleichzeitig aber erteilte sie dem Südstart geradeaus, einem zentralen Anliegen der Gemeinden aus dem Westen, Norden und Osten, eine klare Absage. Und sie forderte, die Interessen des Kantons Zürich seien in Bern höher zu gewichten als jene der Nachbarkantone. Das sorgt für Ärger.

«Ich bin erschüttert», sagt Priska Seiler, SP-Kantonsrätin und Präsidentin des Dachverbands Fluglärmschutz. «Offensichtlich hat Carmen Walker Späh den Sprung von der Stadtzürcher Kantonsrätin zur Regierungsrätin, die alle Regionen vertreten sollte, noch nicht geschafft.» Der Bürgerprotest Fluglärm Ost (BFO) titelte in seinem Newsletter: «100 Tage und kein bisschen weise». ­Georg Brunner, BFO-Präsident und Gemeindepräsident von Turbenthal, sagt lakonisch, nun wisse man wenigstens, woran man sei: «Sie hat rein politisch argumentiert und wird damit dem Thema nicht gerecht. Es kann nicht sein, dass sie eine sichere Flugvariante von vornherein ausschliesst.» Immerhin seien die Südstarts geradeaus aus Sicherheitsgründen auch im Bundesamt für Zivilluftfahrt ein Thema, sagt der FDP-Politiker.

Ärger im Aargau und Thurgau

Thomas Hardegger, Präsident des Flughafen-Schutzverbands, beobachtet bei Walker Späh nicht nur einen «reinen Stadtblick», sondern sogar einen «reinen Schwamendingen-Blick»: «Sie ignoriert, dass die Nordstarts einigen Zürcher Stadtquartieren viel mehr Lärm bringen als die Südstarts in Schwamendingen.» Offensichtlich sei die neue Regierungsrätin noch nicht dossierfest.

Irritiert sind aber nicht nur viele Gemeindevertreter und Bürgerorganisationen im Kanton Zürich. Auch im Aargau und im Thurgau hat Walker Späh für Ärger gesorgt. «Wir empfinden ihre Äusserungen als sehr, sehr arrogant», sagt Armin Zimmermann, Co-Präsident der Aargauer Vereinigung für erträglichen Fluglärm. Er frage sich, welche Bevöl­kerung die Zürcher Regierungsrätin meine, wenn sie von Dialog rede: «Wenn sie gleichzeitig sagt, die umliegenden Kantone hätten weniger Mitspracherecht, dann zeigt das doch, dass sie gar kein Interesse an einem Dialog hat.»

Ähnlich sieht es Josef Imhof, der Präsident des Bürgerprotests Fluglärm Hinterthurgau. Die Gesprächsankündigung sei lächerlich und zynisch: «Walker Späh hat in einer Art vorgespurt, die den angekündigten runden Tisch zur reinen Alibiübung macht.» Die FDP-Frau habe damit gezeigt, dass sie genau jenem Gedankengut der Zürcher Liberalen nacheifere, das letztlich dazu geführt habe, dass Deutschland den Luftraum für Anflüge auf Zürich sperrte: «Man spielt ein Mitspracherecht vor und redet vom Wohlstand, aber letztlich steht sie für die Interessen der Zürcher Elite im Süden ein.»

Support nur aus dem Süden

Wenigstens ansatzweise Support erhält Walker Späh nur von einer Seite: den Südschneisern. «Sie hat nur das gesagt, was im Gesetz steht», findet Matthias Dutli, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein. Die Südstarts geradeaus seien nicht mit geltendem Recht vereinbar. Allerdings steht auch er der unverhohlen flughafenfreundlichen Haltung der Volkswirtschaftsdirektorin kritisch gegenüber: «Ich sehe nicht ein, warum wir überallhin Direktflüge brauchen. Wäre Zürich ein City-Flughafen, müssten wir nicht über Südabflüge diskutieren.»

Den angekündigten Gesprächen stehen die Bürgerorganisationen und Gemeinden kritisch gegenüber. Dennoch wollen sie die Tür nicht zuschlagen. «Immerhin sucht sie den Dialog», sagt Schutzverbands-Präsident Hardegger. «Wir zählen darauf, dass wir einiges klarstellen können.» Einfach werde es aber nicht. Ihr Vorgänger Ernst Stocker habe wenigsten noch teilweise einen wachstumskritischen Blick gehabt – Walker Späh hingegen sei wachstumseuphorisch. Auch Priska Seiler vom Dachverband Fluglärmschutz befürchtet, dass sich die Fronten nun wieder verhärten, nachdem es unter Stocker in den letzten Jahren deutlich ruhiger geworden sei.

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 10.09.2015, 04:24 Uhr)