Zürcher Unterländer - Donnerstag, 22. Oktober 2015

Rümlang Am letzten Sonntag ist der Rümlanger Gemeindepräsident Thomas Hardegger klar als Nationalrat der SP bestätigt worden. Selbstverständlich war das nicht. Der ehemalige Seklehrer spricht über seine ungeplante politische Karriere, Gefühle am Wahltag und Erwartungen ans neue Parlament.

Sie sind bei den Wahlen am Wochenende als Bisheriger erwartungsgemäss als Nationalrat für die SP bestätigt worden.

Thomas Hardegger: Ich habe immer gesagt, man soll nichts verschreien, ich wollte erst die definitiven Resultate sehen. Wir haben an diesem Wahlwochenende gerade im Kanton Zürich und besonders auch im Bezirk Dielsdorf doch völlig unerwartete Abwahlen erlebt. Aber ja, für mich persönlich und für die SP lief es hier ganz erfreulich – wenn auch der Blick aufs Ganze die Freude schon trübt.

 

Ihre Wiederwahl verlief aber problemlos.

Ich hatte mit Listenplatz 3 natürlich eine ausgezeichnete Ausgangslage, und der Bisherigenbonus hat mir sicher auch geholfen. Ich bin am Ende auf Platz 6 unserer zehn Gewählten gelandet. Das ist für einen «Landkandidaten » im Kanton Zürich ein sehr gutes Resultat. Denn ausser der neu gewählten Klotener Stadträtin Priska Seiler Graf und mir kommen alle anderen Gewählten aus den Städten Zürich und Winterthur, wo sie bei der viel höheren Zahl von Wählenden über ein viel stärkeres Kumulierpotenzial verfügen als wir. Und Tim Guldimann aus Berlin hatte als ehemaliger Botschafter starke Medienpräsenz.

Wie haben Sie den Wahlkampf 2015 erlebt im Vergleich mit Ihrer ersten Kampagne 2011? Gab es Unterschiede?

Vor vier Jahren wurde ich sicher auch gewählt, weil ich damals auch für den Ständerat angetreten bin. Das war praktisch ein Kampf auf verlorenem Posten, um den sich niemand gerissen hat. Gegen die beiden Bisherigen Verena Diener und Felix Gutzwiller sowie Herausforderer Christoph Blocher. Für meine Wahl in den Nationalrat war es aber bestimmt hilfreich, denn ich war damit auf dem ersten Listenplatz gesetzt. Und klar, der Ständeratswahlkampf mit wenigen «persönlichen » Gegnern ist in dem Sinn auch wesentlich direkter und härter.

Weshalb haben Sie denn diese «unmögliche» Kandidatur auf sich genommen? Teil einer durchgeplanten «Bilderbuchkarriere »?

Überhaupt nicht, ich hatte und habe nie etwas geplant. Als ich in den frühen 1990erJahren auf Gemeindeebene angefangen habe, Wahlbüro und RPK, war ich noch lange als Sekundarlehrer tätig und hätte nie gedacht, dass ich einmal auf Kantonsebene aktiv würde. Doch dann kam der Verfassungsrat und daraus bald der Kantonsrat. Da wurde es mit der Politik so viel, dass ich mit der Schule aufgehört habe. Es hat sich immer eines aus dem andern ergeben. Wie dann auch nach zehn Jahren im Kantonsrat die Ständeratskandidatur. Ich habe also die ganze Ochsentour gemacht. So wirklich planbar ist manches in der Politik meines Erachtens auch nicht. Man muss im richtigen Moment am richtigen Ort sein, wo jemand fehlt, und man muss da gerade reinpassen. Wenn man sich da in Konkurrenz begibt und das so verbissen anstrebt, wird man nur enttäuscht.

Sind Sie denn gewissermassen fast unplanmässig die politische Karriereleiter hinauf bis ins eidgenössische Parlament gerutscht?

Nein, nein, hineingerutscht ist nicht richtig. Ich will damit sagen, ich habe mir nie zielgerichtet überlegt, was ich als Nächstes tun muss, um karrieremässig voranzukommen. Ich habe meine Arbeit gemacht, und manchmal haben sich Türen geöffnet und Dinge ergeben. Als ich das Lehreramt aufgegeben habe, hatte ich auch gedacht, jetzt mache ich eine Weile in der Politik mit, und dann gehe ich zurück in den Schuldienst. Doch dann ist es immer weiter gegangen, unerwartet.

Unerwartet bis ans Ende einer ersten Legislatur im Nationalrat. Wie haben Sie denn den Tag erlebt, an dem sich jetzt die Türe zu Ihrer zweiten Legislatur geöffnet hat?

Am Morgen habe ich einen Waldspaziergang gemacht mit meiner Partnerin, es hat zwar geregnet, aber gut getan. Klar ist man angespannt, aber es passiert ja noch nichts, und man muss etwas tun. So war ich am Vorabend schon am Hockeymatch Kloten – Freiburg, es war ein Superspiel. Nach Mittag – Michaela Oberli hat als Vizepräsidentin das Wahlbüro der Gemeinde übernommen – habe ich mich mit meinen Kindern zum Kaffee getroffen. Wir haben über Gott und die Welt gesprochen, eine wunderbare Ablenkung. Danach erste Resultate über PC und TV abgerufen, und um 17 Uhr habe ich den Bus genommen und bin nach Zürich in unser Parteilokal Certo. Dort haben wir gefeiert, auf die Resultate der anderen Kantone gewartet und auf den neu gewählten Ständerat Daniel Jositsch, bis er seinen Medienmarathon bewältigt hatte. Es war eine gute Feier, grosse Freude über den Erfolg in Zürich – aber schon auch mit Bedenken über das Gesamtergebnis landesweit.

Als Nationalrat haben Sie zwei Wandelhalle Badges für Gäste zur Verfügung. Wer kommt in den Genuss?

Gallus Cadonau, Geschäftsführer der SolarAgentur Schweiz, hat einen, der zweite ist nicht vergeben. Ich bin an sich gegen dieses System und gegen das Lobbying im Bundeshaus. Es gibt genug Gelegenheiten für Kontakte ausserhalb. Dort, wo wir als Parlamentarier arbeiten, ständig angequatscht zu werden, empfinde ich als lästig. Wenn ich etwas wissen will, erkundige ich mich.

Wagen Sie zum Schluss einen Ausblick auf die kommenden vier Jahre in Bern?

Die Arbeit wird sicher anstrengender, es wird schwieriger, Kompromisse zu finden. Stichworte AHV Revision, Energiewende: Das sind die grossen Sorgenposten der Leute, die während meiner Kampagne an mich herangetragen wurden; da kommen von der neuen rechtsbürgerlichen Mehrheit wenig erfreuliche Signale. Stichwort Flughafen: Da ist aus dem Bezirk ja Barbara Steinemann für die SVP gewählt worden, und sie hat bisher bei jeder Abstimmung im Kantonsrat gegen Pistenverlängerungen gestimmt. Vielleicht werden da punktuell auch neue Allianzen möglich ...

Interview: Markus Fürst