14. Juli 2011

Warum ist dieser Mann, der statt mit Show-Einlagen mit Sachkompetenz punkten will, genau der Richtige fürs ‹Stöckli›? Der Ständeratskandidat der SP, Thomas Hardegger, erklärt im Gespräch mit Nicole Soland, warum es ihn nach Bern zieht – und wie seine WählerInnen davon profitieren.

P.S.: Was habe ich davon, wenn ich Ihren Namen auf den Wahlzettel schreibe?
Thomas Hardegger: Bei Erfolg eine stärkere sozialdemokratische Fraktion im Ständerat und folglich bessere Chancen für eine bessere Raumplanung, eine gerechtere Steuerpolitik, einen sorgfältigeren Umgang mit den natürlichen Ressourcen, mehr Förderung von Bildung und Forschung, einen rascheren Atomausstieg; kurz: Mehr Politik für alle statt für wenige – auch im Ständerat.

Als die Delegierten Sie ins Rennen um den Ständeratssitz schickten, war da und dort zu lesen Sie seien «ein Unbekannter». Fangen wir deshalb mit der Person Thomas Hardegger an: Woher kommen Sie, und weshalb haben Sie sich für die SP – und die Politik – entschieden?
Aufgewachsen bin ich im Limmattal. Meine Eltern betrieben eine kleine Hüppen-Bäckerei, mein Vater empfand sich als christlichsozialer Patron. Wie in den 60er-Jahren hierzulande üblich, arbeiteten vor allem Italienerinnen im Betrieb. Wir arbeiteten zusammen, ich war auch oft bei ihnen zuhause und erkannte ihre schwierigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. In der Schule hatte ich engagierte Lehrer, die politisierten und mich unterstützten, die Mittelschule zu besuchen, was von der Herkunft her nicht selbstverständlich war. Gleich nach dem Lehrerseminar übernahm ich eine Realklasse – heute Sek-B.Nach der Reallehrerausbildung begann ich in Rümlang zu unterrichten und mich politisch einzumischen.

Als Lehrer auf dem Land bei den Linken zu landen – das dürfte damals nicht Standard gewesen sein.
Das war tatsächlich speziell; viele Lehrer nehmen sich politisch eher zurück. Schliesslich muss man sich auch mit der bürgerlich dominierten Laien-Schulpflege arrangieren. Ich trat trotzdem dem VPOD und der SP bei.

Eine andere Partei wäre für Sie nicht in Frage gekommen?
Es gab ja keine linkere auf dem Land zu jener Zeit (lacht), keine AL oder POCH. Nein, die SP stimmte für mich.

Und die Grünen, wenn es sie schon gegeben hätte?
Für mich war die Verteilung und der Schutz der natürlichen Ressourcen immer auch ein sozialpolitisches Thema. Sauberes Wasser, saubere Luft brauchen alle, es geht auch um faire Verteilung, um Chancengleichheit: Wer hat Zugang zu sauberem Wasser – und zu welchem Preis? Das 'Grüne' gehörte für mich seit meiner Jugendzeit dazu; so etwa mit der Teilnahme an den Demos in Kaiseraugst gegen das geplante AKW.

Eine Naturschutzstelle zu leiten gab es aber damals in Rümlang wohl kaum…
Nein, ich bin ganz unspektakulär in die Politik eingestiegen – ich wurde ins Wahlbüro gewählt, etwas später in die Rechnungsprüfungskommission, ab 1998 als deren Präsident. Ab 2000 habe ich im Verfassungsrat mitgearbeitet, und 2001 konnte ich in den Kantonsrat nachrücken. Als ich 2006 zum Gemeindepräsidenten von Rümlang gewählt wurde, reichte die Zeit dann definitiv nicht mehr für meinen angestammten Beruf, was ich anfänglich sehr bedauerte. Seither arbeite ich selbstständig, bin Geschäftsführer einer familieneigenen Firma, die Liegenschaften verwaltet – die natürlich der Spekulation entzogen sind (schmunzelt).

Nun wollen Sie ins Stöckli; die Chancen, dass Sie Nationalrat werden, sind dank des guten Listenplatzes allerdings grösser. Und diesen Platz hätten Sie doch auch bekommen, ohne sich den Stress des Ständeratswahlkampfs anzutun…
Nein, das glaube ich nicht: Die Kandidierenden vom Land brauchen etwas Zusätzliches – sei es Bekanntheit durch TeleZüri, ein medienöffentliches Amt oder einen grossen Verband im Hintergrund. Aber für mich gilt im Moment sowieso, dass ich in den Wahlkampf steige, weil ich Ständerat werden will. Das ist schwierig, aber die Bundespolitik zu Gunsten der EinwohnerInnen mitzugestalten, das reizt mich.

Nachdem Sie die parteiinterne Ausmarchung gewonnen hatten, sagten Sie, Sie träten nicht gegen Christoph Blocher an, sondern gegen die Bisherigen. Was haben Felix Gutzwiller und Verena Diener falsch gemacht?
Christoph Blocher hat keinen Sitz, den ich ihm wegnehmen könnte, Felix Gutzwiller und Verena Diener schon. Diese sind unter anderem mitverantwortlich, dass die Raumplanung der Kantone nicht koordiniert wird: Arbeiten im Kanton Zürich, wohnen und Steuern zahlen in den umliegenden Kantonen. Das bedeutet viele Pendlerfahrten im Auto oder in der überfüllten S-Bahn und unkontrollierte Zersiedelung der Schweiz. In der Flughafenpolitik, mit der ich mich als Rümlanger Gemeindepräsident fast täglich befasse, müssten der Bund und der Kanton gemeinsam eine nachhaltige und bevölkerungsverträgliche Luftverkehrspolitik verfolgen. Als Kantonsrat erlebe ich die Folgen ihrer Politik in Fragen der Spitalfinanzierung, der Energiepolitik, bei der Bildung und Forschung oder auch beim Atomausstieg, wenn sie unseren Gestaltungsraum für fortschrittliche Politik allzu oft eingeschränkt.

Es ist also viel falsch gelaufen in Bern – aber dass Herr Gutzwiller und Frau Diener persönlich das alles verbockt hätten, kann man ihnen ja kaum ankreiden.
Zumindest Felix Gutzwiller hat mit der Mehrheit gestimmt, welche die Abstimmung über die Abzockerinitiative weiter hinausverzögert. Er hat sich ebenfalls auf die Seite jener StänderätInnen geschlagen, die erst nach den Wahlen über den Atomausstieg abstimmen wollen. Beide waren aber daran beteiligt, die Einführung der Fallpauschalen in den Spitälern ohne Begleitmassnahmen durchzudrücken. Die Konsequenzen spüren wir alle – nämlich höhere Krankenkassenprämien. Zudem ist Felix Gutzwiller Berufslobbyist für die Pharma und die Privatspitäler und macht folglich eine Politik für wenige statt für alle.

Das heisst, Verena Diener könnte von Ihnen aus bleiben?
Vor vier Jahren haben wir sie wohl im zweiten Wahlgang gegen die SVP unterstützt. Doch Verena Diener steht heute für einen rigiden finanzpolitischen Kurs, also auch für Abbau in Bildung und Gesundheit. Zudem unterstützt sie im Kampf um die Erhaltung und den Ausbau der Sozialwerke die bürgerliche Seite. Mir ist klar, dass ich gegen zwei Amtierende aus der zweiten Reihe starte. Aber die SP als zweitstärkste Kraft im Kanton erhebt Anspruch, dass die links-grüne Wählerschaft auch im Stöckli vertreten ist.

Als Sie nominiert wurden, trauerten einige GenossInnen schon mal vorsorglich grossen Redeschlachten mit Christoph Blocher nach, zu denen ihrer Meinung nach nur Andreas Gross fähig gewesen wäre…
Ich habe absolut keine Angst davor, gemeinsam mit Herrn Blocher auf ein Podium zu steigen, und es sind bereits einige Podien mit allen Kandidierenden terminiert. Und die SVP will offenbar keine Podien, bei denen nicht alle mitmachen; sie denkt wohl, der Mythos Blocher komme besser rüber, wenn sich die Leute an den «unersetzlichen Ersetzten» erinnern.

Werden SP und Grüne gemeinsam auftreten, um gegen die beiden Bisherigen bessere Karten zu haben?
Rot und Grün werden wohl ihren eigenen Auftritt haben. Aber ich rechne schon damit, dass die Wählerschaft der Grünen auch meinen Namen aufschreiben wird und die GenossInnen auch Balthasar Glättli.

Um es in den Ständerat zu schaffen, müssen Sie ziemlich viel mehr Stimmen holen als die, welche das rot-grüne Lager liefern kann: Wie realistisch ist das?
Mindestens im Unterland kann ich aufgrund meines jahrelangen Einsatzes für eine vernünftige Flughafenpolitik mit der Unterstützung vieler bürgerlicher WählerInnen rechnen, und auch sonst hoffe ich natürlich, dass ich noch einige davon überzeugen kann, dass viel mehr Menschen von der Politik der SP profitieren könnten als von jener, welche die Bürgerlichen zurzeit für wenige Privilegierte machen.

Sie sind bekannt als Politiker, der in Sachfragen kompetent ist und seine Dossiers im Griff hat – aber Sie gehören definitiv nicht zu jenen, deren Köpfe man jeden zweiten Sonntagabend auf TeleZüri bewundern kann. Wie gehen Sie als eher zurückhaltender Mensch mit dem Rummel um, der die Wahlen heutzutage prägt?

Für mich ist die Politik immer noch etwas Ernsthaftes, und ich bin auch der Meinung, dass sie nicht zur reinen Show degradiert werden darf. Heute wird mehr Medienpräsenz erwartet, und ich werde das mitmachen, was notwendig ist, um ein gutes Resultat für die SP einzufahren. Auf meinen Plakaten zeige ich mich den WählerInnen einmal locker mit einer Kaffeetasse in der Hand und ohne Krawatte, einmal halb-'seriös' mit offener und einmal mit gebundener Krawatte; das Ganze hat etwas Spielerisches und darf auch gern den einen oder die andere zum Schmunzeln bringen – aber es ist nicht einfach Klamauk. Das Ziel meiner Politik bleibt, etwas zu erreichen, für EinwandererInnen ebenso wie für Jugendliche mit einem schwierigen Einstieg ins Berufsleben; eine solche Politik für alle aber lässt sich nicht einfach als Show inszenieren. Ich will ja auch nicht Waschmittel verkaufen, sondern Lösungen finden für reale Probleme.

Reale Probleme? Wie etwa die Zuwanderung?
Wenn die Zuwanderung für viele als Problem empfunden wird, dann müssen wir reagieren. Es werden ja viele vor grosse Herausforderungen gestellt: fehlende sprachliche Frühförderung von Kindern, schwieriger Berufseinstieg, fehlende Berufsausbildung, Working Poor u.a. Dies betrifft aber nicht nur die MigrantInnen. Wir schlagen seit Jahren gute Lösungen für reale Probleme vor, doch die Bürgerlichen torpedieren sie regelmässig und verweigern die nötigen Mittel. Heute wollen sie den Leuten weismachen, wir hätten dank ihrem jahrelangen Geschrei «auch endlich gemerkt, dass es Probleme gibt». Gerade darum müssen wir wieder die Themenführerschaft übernehmen; beim Thema Wohnen ist uns dies ja schon geglückt.

Auch beim Thema Wohnen sehen andere Parteien bloss ein Zuwanderungsproblem…
Die Region Zürich hat seit langem ein grosse Zuwanderung: Die Menschen wandern aus dem Zürcher Oberland zu, aus dem Bündnerland, aus dem Aargau, aus Deutschland, – wenn sie bezahlbaren Wohnraum finden. Im Ernst: Wir müssen den Leuten die raumplanerischen Zusammenhänge von Mobilitätsansprüchen und Bodenpolitik erklären, und wir müssen uns dafür einsetzen, dass mit gezielter öffentlicher Landpolitik bezahlbarer Wohnraum erhalten und gefördert wird. Der Kanton Zürich wirkt als Wirtschaftsmotor für die ganze Schweiz und wird durch die Konzentration der wichtigen Verkehrsinfrastrukturen, Auto-, Bahn- und Luftverkehr, sehr stark belastet. Der Schutz und der Erhalt der Natur- und Erholungsräume ist umso aufwändiger. Der Finanzausgleich nimmt darauf zu wenig Rücksicht. Hier tun bessere Leitplanken not, und die kriegen wir, wenn die SP-Fraktion im Ständerat grösser wird.