Der Landbote

Freitag, 9. September 2011 Winterthur

Was kommt heraus, wenn man den Ständeratskandidierenden 90 Sekunden Zeit gibt, um für sich zu werben? Ein Christoph Blocher im Plakatton, eine Verena Diener, die sich vom Showbusiness verabschiedet, und ein Balthasar Glättli, der gegen Hassprediger predigt.


Die Pose der sieben Zürcher Ständeratskandidierenden erinnert schon fast ans offizielle Bundesratsfoto. In vielen Fragen herrscht auch Konsens, doch im Stöckli gibt es nur Platz für zwei von ihnen.


Die SVP ist eine Partei der kurzen Botschaften. Zwar fiel Christoph Blocher am «Landbote»-Podium vom Mittwoch mehrmals durch ausufernde Voten auf und stritt mit Moderatorin Colette Gradwohl gewohnt spitzbübisch um seine Redezeit. Das ändert indes nichts daran, dass sich der Ex-Bundesrat in der Carte-blanche-Runde, in der jeder und jede maximal 90 Sekunden für sich selbst werben durfte, ganz im Element fühlte. «Meine Botschaft ist, dass wir als Schweiz unabhängig bleiben müssen und diese Stärke nicht aufgeben dürfen, vor allem im Asyl- und im Ausländerbereich», sagte Blocher und schob nach: «Ich habe keine 90 Sekunden gebraucht.» Applaus, breites Grinsen, Ziel erfüllt.

Den Konter, der jeweils einem Mitbewerber zugelost wurde, führte Verena Diener: «Das klingt ja alles gut, aber nur, solange man nicht in die Details geht.» Die amtierende GLP-Ständerätin wies auf die wirtschaftlichen Vorteile der Personenfreizügigkeit hin und auf die Vernetzung der Märkte. In ihren eigenen 90 Sekunden markierte Diener die Sachpolitikerin: «Ich wünsche mir für die nächsten vier Jahre, dass wir uns weniger mit Nebensächlichkeiten aufhalten und wegkommen vom Showbusiness.» Weitere Programmpunkte: ein ausgeglichener Haushalt und mehr Umweltschutz.

SP-Kandidat Thomas Hardegger blieb wegen der politischen Nähe nur der Konter mit der Sozialpolitik, die bei der GLP zu kurz komme. So habe diese die Revision der Arbeitslosenversicherung unterstützt. Hardegger nannte in seinem eigenen «Werbespot» staatliche Investitionen und eine Überarbeitung des Raumprogramms als Ziele und schnitt die Flughafenpolitik an: «Wir brauchen für eine Lösung Planungssicherheit ohne Pistenausbau.»

«Wachstumsmotor Zürich»

CVP-Kandidat Urs Hany ergänzte: «Wir können uns nur mit den Deutschen einigen, wenn in der Schweiz alle vier Himmelsrichtungen Lärm annehmen.» Hany, in der Verkehrspolitik profiliert, konzentrierte sich in seinem Statement ganz auf sein Kernthema. Brüttener Tunnel, Gubrist und Oberlandautobahn seien nur die wichtigsten von vielen Verkehrsprojekten, die er vorantreiben wolle. «Wir müssen die Interessen des Wirtschaftsmotors Verkehr verknüpfen.»

Felix Gutzwiller (FDP) wandte ein, ein Zürcher Ständerat müsse auch andere Schwerpunkte setzen, etwa in der Bildung. In seinen 90 Sekunden knüpfte er bei seiner Ständeratskollegin Diener an: «Wir brauchen einen Politstil, der vom Respekt vor dem Andersartigen geprägt ist.» Gutzwiller sprach sich für die Personenfreizügigkeit aus, die elementar sei, damit Zürich der Wachstumsmotor der Schweiz bleibe.

Wieder setzte es einen soften Konter: «Es kommen auch Personen in unser Land, die die Sozialsysteme belasten. Auch dafür brauchen wir eine Antwort», sagte EVP-Kantonsrätin Maja Ingold. In ihrem Votum sprach sie Alltagssorgen an: Bezahlbarer Wohnraum, der Erhalt von Grünräumen und die Lösung der Verkehrsprobleme seien ihre zentralen Anliegen.

Dagegen setzte Balthasar Glättli (Grüne) eine rhetorische Spitze: «Es braucht mehr Mut und Präzision, um Veränderungen in Bern hinzukriegen», entgegnete er. Glättli kündigte in seiner Kür an, durch die Förderung erneuerbarer Energien Arbeitsplätze zu schaffen, gegen die Lohnschere vorzugehen und sich dafür einzusetzen, dass die «politische Agenda in der Schweiz nicht von Hasspredigern geführt wird». Der Konter darauf war ausgerechnet dem Gemeinten zugelost worden. Doch Christoph Blocher spielte seine Routine aus und plauderte über die Naivität der Grünen in der Energiepolitik – als hätte er den «Hassprediger» überhört.