Tages Anzeiger

Mittwoch, 25.04.2012 Zürich

Janine Hosp

Im Kanton brauche es mehr bezahlbare Wohnungen, finden Genossenschaften. Sie lancieren deshalb eine Volksinitiative. Diese ist politisch breit abgestützt.

Steht heute irgendwo im Kanton Zürich ein Stück Bauland zum Verkauf, stehen die Interessenten bald Schlange. Immobilienfirmen und Fonds treiben die Preise in die Höhe – gemeinnützige Genossenschaften haben das Nachsehen. So ist ihr Anteil an allen Wohnungen in den vergangenen Jahrzehnten laufend gesunken und liegt heute bei knapp 9 Prozent. 800 Wohnungen müssten sie jedes Jahr bauen, um ihren Anteil halten zu können, tatsächlich waren es in den letzten Jahren lediglich 500.

Gang aufs Sozialamt verhindern
Die Wohnbaugenossenschaften Zürich SVW, unterstützt von Links- und Mitteparteien, wollen diesen Trend mithilfe der Volksinitiative «Bezahlbar wohnen im Kanton Zürich» umkehren, wie ihre Vertreter gestern vor den Medien sagten. Sie fordern, dass der Kanton Genossenschaften mit zinsgünstigen Darlehen, allenfalls mit Abschreibungsbeiträgen unterstützt. Dies soll auch Gemeinden möglich sein. Dazu soll der Kanton einen Fonds schaffen, den er jährlich mit 42 Millionen Franken äufnet; das entspricht 0,1 Prozent des Werts, den die kantonale Gebäudeversicherung versichert. Zudem soll der Kanton seine eigenen Liegenschaften statt den Meistbietenden an Genossenschaften verkaufen.

Zwar fördert der Kanton bereits den gemeinnützigen Wohnungsbau, indem er Wohnungen für Haushalte mit kleinem Einkommen subventioniert. Aber heute, so sagte BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti, haben längst nicht nur arme, sondern auch mittelständische Familien Mühe, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Sie müssten einen immer höheren Teil ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Würden mehr gemeinnützige Wohnungen gebaut, könnte dies Familien davor bewahren, auf das Sozialamt gehen zu müssen.

Private gegenüber Genosensschaften privilegiert
SP-Nationalrat Thomas Hardegger kritisierte, dass der Staat private Wohnungsbesitzer gegenüber kollektiven Wohnungsbesitzern, also Genossenschaftern, stark bevorzuge. Private habe er in den vergangenen vier Jahren über Steuervorteile mit 1,8 Milliarden Franken unterstützt, die Genossenschafter lediglich mit 107 Millionen. Günstige. Das Initiativkomitee hat die Volksinitiative am vergangenen Freitag gestartet und will bis Mitte Oktober die erforderlichen 6000 Unterschriften zusammenhaben. Dem Komitee gehören Politikerinnen und Politiker von SP, EVP, CVP und BDP sowie Vertreter gemeinnütziger Organisationen an.

Volksinitiativen zu Wohnthemen haben Konjunktur: Vor einem Jahr hat die SP die Initiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» lanciert. Der Titel ist ähnlich wie bei der neusten Initiative, der Weg ein anderer: Gemeinden sollen von Bauherren verlangen können, dass sie für einen Teil der Wohnungen nur eine Kostenmiete erheben. Ebenfalls vor einem Jahr hat der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich die Initiativen «Transparente Mieten» und «Rechtsschutz für alle» eingereicht.