Tempo 30 – in Dorfzentren auch auf Hauptstrassen

In vielen unserer Dorfzentren wird die Aufenthaltsqualität durch den Durchgangsverkehr schwer beeinträchtigt. Die engen Platzverhältnisse schränken die Verbesserungsmöglichkeiten so stark ein, dass für den Fuss- und Veloverkehr kaum sichere Verhältnisse geschaffen werden können. Wegen ortsbild- oder denkmalgeschützten Bauten können selten genug breite Trottoirs und sichere Fussgängerquerungen gebaut werden.

Bislang galt unter den Verkehrstechnikern der Grundsatz, dass auf Hauptstrassen keine Tempo 30 Zonen eingerichtet werden können. Dies ist vom Bundesgericht in den Fällen von Sumvitg und Münsingen in Leiturteilen korrigiert worden. Verlangen es die Verhältnisse, so sind die Behörden nicht nur „berechtigt“, sondern sogar „verpflichtet“ auch auf einem Hauptstrassenabschnitt Tempo 30 einzurichten. Das Bundesgericht begründet dies so, dass es „ermessensmissbräuchlich“ wäre, „unter diesen Umständen den Interessen am möglichst ungehinderten Durchgangsverkehr Vorrang vor der physischen Integrität der Bewohner von Sumvitg zu geben“.

 

Im Falle von Münsingen führte das Bundesgericht zudem noch aus, dass neben der Sicherheit auch der Verkehrsfluss durch Tempo 30 verstetigt werde und dass damit das „Stop and Go Verhalten“ vermieden werde, welches Stau verursache und auch den öffentlichen Verkehr behindere.

Werden diese Urteile von den Behörden ernst genommen, müssen wir es nicht mehr hinnehmen, dass die Schul- und Einkaufswege in den Ortszentren für die Fussgängerinnen und Velofahrer gefährlich sind.

In der Vergangenheit galten die Ausbauten und Verbreiterungen als einziges Rezept, die Belastung für die Bevölkerung zu vermindern. Das mag Funktionieren, wenn die Wege nicht durch die Zentren führen, denn letztlich führen „Verbesserungen“ des Verkehrsflusses nur zu mehr Belastung durch die Pendlerinnen und Pendler, die den Staus auf den Autobahnen und Umfahrungsstrassen ausweichen. Leider verfolgen viele Verkehrsplaner bei der „siedlungsverträglichen Umgestaltung von Ortsdurchfahrten“ vor allem das Ziel, die Durchflusskapazität zu erhöhen, statt die Wohn- und Aufenthaltsqualität für die Einwohnerinnen und Einwohner zu erhöhen. Dies gilt es zu korrigieren, auch dank der Urteile des Bundesgerichtes.  Unterstützung bieten auch Fussverkehr Schweiz oder der VCS. (BGE 1C_160/2012 - Sumvitg und BGE 136 II 539 - Münsingen)