50 Jahre Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich – ist das ein Grund zum Feiern? Müssten wir nicht feiern, wenn der Schutzverband überflüssig geworden wäre? Das ist wahrscheinlich und leider noch lange nicht der Fall.

Wir feiern trotzdem, - nämlich unsere Erfolge in der 50-jährigen Geschichte, und wir werfen einen Blick darauf, was wir – noch – nicht erreicht haben.

Der Flughafen verlängerte 1961 mit der 2.Bauetappe seine Pisten und liess sie Richtung Rümlang, Höri und Opfikon wachsen. Das ermöglichte die Starts und Landungen der Düsenjets. So donnerten Caravelles, Coronados, DC 8’s, Tupolevs, Boeing 707 und andere über die Dächer der umliegenden Gemeinden.

Dieser unerträgliche Lärm führte schliesslich zur Gründung des Schutzverbandes, die am 30.11.1967 in Rümlang besiegelt wurde. Die sechs Gemeinden Rümlang, Höri, Bülach, Bachenbülach, und Stadel hatten den Gemeinderatsbeschluss zum Beitritt schon mitgenommen, 20 weitere anwesende Gemeinden beschlossen den Beitritt im Anschluss an die Gründung, Gemeinden aus allen Himmelsrichtungen wie heute immer noch.

Dr. Alois Huwiler, der Hausarzt aus Rümlang wird zum ersten Präsidenten gewählt, so ist es im handgeschrieben Protokoll nachzulesen und die Gemeindekanzlei Höri übernimmt die Führung der ersten Geschäftsstelle.

Die Notizen lassen eine heftige Diskussion erahnen. Im Zentrum stand die Kernfrage, wieviel Lärm die Bevölkerung aus volkswirtschaftlichem Interesse ertragen müsse und ob die Folgen für Gesundheit und Umwelt durch Lärm und Abgase nicht bereits den volkswirtschaftlichen Nutzen übersteigen würden. Erinnert das nicht an die Diskussionen heute?

Frau Regierungsrätin Walker Späh wird das sicher gerne hören: Der Verband hat schon bei Gründung festgehalten, er wolle keine Subordination gegen die Regierung – so ist es handschriftlich festge-halten - sondern mit den kantonalen Behörden zusammenarbeiten.

Nachdem einige RR auf Einladung des Schutzverbandes in Rümlang, Opfikon und Höri eine Hörprobe genommen hatte, wurde er aktiv. Das führte zum ersten Erfolg des Schutzverbandes mit dem Regierungs-beschluss zur Jetsperre. Die Gebiete, die tagsüber am meisten Starts ertragen müssen, sollten zwischen 21:00 Uhr und 07:00 Uhr nicht mehr überflogen werden. Der Westen und der nahe Süden erhielten damit eine Abgeltung ihrer grossen Lasten mit einer Reduktion von Dezibels.

In der Debatte um die 3.Bauetappe ab 1969 erinnerten sich Regierung und Kantonsrat an das Debakel bei der 1.Abstimmung zur 2.Bauetappe – 72% der Stimmberechtigen stimmten 1957 gegen das Ausbauprojekt. Weitere Pistenbauten ohne Zugeständnisse würden einen schweren Stand haben. So wurde 1970 die Ausbauten mit 62% Ja schlossen. Das Nachtflugverbot im Flughafengesetz aber mit über 80% besiegelt.

Ein weiterer grosser Erfolg des Schutzverbandes ist sicher die Ausdehnung der Nachtruhe auf vorgesehene 7 Stunden. Auch die Bestimmung im Flughafengesetz, dass Pistenverlängerungen vom Kantonsrat nur in einem referendumsfähigen Beschluss gefällt werden.

Bis zu Privatisierung des Flughafens hatte der Schutzverband Einsitz in der Fluglärmkommission und konnte so bei Fragen um lenkungswirksame Lärmgebühren unmittelbar mitreden. Heute bedarf es eines von uns angestrengten Entscheides des Bundesverwaltungsgerichtes, dass wir eine spürbare Verbesserung durch die Anpassung der Lärmgebühren erhoffen können.

Bei der Gründung wickelte der Flughafen etwa 80'000 Bewegungen für 3,5 Mio. Passagiere pro Jahr ab, heute sind es dreieinhalb Mal so viele Flüge für 8x so viele Passagiere. Die Flugzeuge sind hörbar leiser geworden, die Lärmereignisse dafür häufiger. Und die unsinnigen 270°Kurven, die fast jede Region treffen, führen seit der Einführung der Durchführungsverordnung Deutschland in einzelnen Tageszeiten zu einer fast ununterbrochenen Dauerbeschallung.

Der Schutzverband hat sich schon früh für planbare Ruhezeiten für jede Region eingesetzt und eine Beschränkung der Bewegungen in den Nachtrandstunden verlangt. Das durchzusetzen ist uns bisher nicht wirklich gelungen.

Im Gegenteil, die Bewegungen am Abend nehmen weiter zu und das dürfte der Frau Regierungsrätin angesichts der Entwicklung des ZFI grosse Sorgen bereiten. Immerhin wurde der Bevölkerung bei der Abstimmung vom 25. November 2007 versprochen, dass die Zahl der stark belasteten Personen von 47'000 nicht überschritten werde.

Ferner sollte eine 7-stündige Nachtruhe angestrebt werden. Wird die Zahl von 320'000 Flugbewegungen erreicht, müsste sich der Kanton beim Bund für eine Beschränkung der Flugbewegungen einsetzen. Auch im Glauben an die drei Versprechen hat die Bevölkerung dann im November 2007 die Plafonierungsinitiative abgelehnt und dem Gegenvorschlag des Regierungsrates mit 63% Ja zugestimmt.

Bereits ab 2010 ist die ZFI-Vorgabe nicht mehr eingehalten worden und die Zahl steigt weiter stetig an. Wer also glaubt, die Bevölkerung stehe vorbehaltlos hinter einem ungebremsten Wachstum des Luftverkehrs sei gewarnt und an die Bestimmungen im Flughafengesetz erinnert.

Meine Erzählung wirkt für Sie vielleicht wie ein Bericht zu politischen Gerangeln. Doch immer noch, und immer wieder geht es in erster Linie um die Wohn- und Lebensqualität der Bevölkerung. Aber es geht auch um Rechtssicherheit für Gemeinden, damit qualitative Aufwertungen erst möglich werden. Darauf warten die Gemeinden aber seit Jahren. Die Abgrenzungslinie, die dem Fluglärm auch räumliche Grenzen setzen sollte, muss nun in seiner kurzen Existenz bereits zum zweiten Mal angepasst werden. Wo bleibt die Planungssicherheit, wenn es so einfach ist, belastete Gebiete auszudehnen und neue Anwohnende, Quartiere und Gemeinden zu stören.

Wir anerkennen, wie bereits bei der Gründung ausdrücklich festgehalten, die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens – für unsere Region, aber auch den Metropolitanraum Zürich.

Und alle Gemeinden um den Flughafen wissen, dass der Nutzen des Luftverkehrs auch mit Lasten bezahlt werden muss. Wir können auch die Dilemmata bei den Entscheiden von kantonalen und eidgenössischen Behörden, von Flughafenverantwortlichen und Luftfahrtgesellschaften nachvollziehen. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass sie in der Wachstumsfalle sitzen, in einem Teufelskreis aus Preiskampf und Mengenausweitung:

- Für eine Rendite braucht es volle Flugzeuge.

- Weil der Heimmarkt zu klein ist, werden Umsteigepassagiere angelockt.

- Also werden Dumpingpreise angeboten.

- Mit tieferen Ticketpreisen braucht es für die Kostendeckung mehr Passagiere pro Flugzeug.

- Dafür braucht grössere Flugzeuge.

- Um die grösseren Flugzeuge zu füllen, braucht es mehr Umsteigepassagiere.

- usw., usf

Wo führt diese Entwicklung hin, die nur zu Lasten der Wohn- und Lebensqualität der Bevölkerung und der Umwelt möglich ist?

Wie 1967 kommen wir auch heute nicht um die Frage herum: Ist die Wachstumsstrategie wenigstens volkswirtschaftlich sinnvoll und ist sie nachhaltig und umweltverträglich? Die Zahl der Geschäftskunden stagniert, ihr Anteil wird sogar immer kleiner. Erklären Sie mir, wo der volkswirtschaftliche Nutzen der reinen Ferienflüge liegt? Schweizerinnen und Schweizer können fast zum Nulltarif das Feriengeld ins Ausland tragen. Die Wertschöpfung in der Schweiz ist gleich Null, denn den Flug und das Hotel haben sie via Internet im Ausland gebucht. Die gleichen Fragen stellen sich auch für die Einkaufsflüge nach London, Berlin und Amsterdam.

Der Bundesrat schreibt im Luftfahrtpolitischen Bericht lapidar: «Langfristig wird die Abnahme der Lärmemission des einzelnen Flugzeugs eine Zunahme des Lärms aufgrund der steigenden Bewegungszahlen allerdings nicht verhindern können. Überschreitungen der Belastungsgrenzwerte bleiben weiterhin eine Tatsache, so dass die Anstrengungen zur Reduktion des Lärms fortzuführen sind. LUPO S.44»

Diese Aussage zeigt eindrücklich, wie wichtig die Arbeit des Schutzverbandes bleibt, denn noch sehen wir wenig von der Wirkung der erwähnten Anstrengungen und einfach hinnehmen werden wir eine Zunahme der Belastung für die Bevölkerung und Umwelt sicher nicht.

Wir setzen wie zur Gründungszeit auf konstruktive Zusammenarbeit mit allen Partnern, dem Kanton Zürich, dem BAZL und der skyguide, der Flughafen Zürich AG und der swiss.

Immer wieder – und gerne – hören wir die Erkenntnis unserer Partner, der Flughafen Zürich könne nicht gegen den Willen der Bevölkerung betrieben werden. Wenn dies ernst gemeint ist, müssten Lösungen gefunden werden – jetzt, nicht erst in weiteren 50 Jahren.

Rümlang, 22. November 2017 – Thomas Hardegger, Präsident des Schutzverbandes