Die Post. Ein Service-public-Unternehmen auf Irrfahrt?

Ich möchte gleich klarstellen: heute steht nicht der service public im Zwielicht. Heute geht es darum, die Leistungen der Verantwortlichen der Post AG und der Bundesverwaltung in der Postauto-Affaire und der Post AG zu hinterfragen. Unbestritten bleibt dabei, dass die Bevölkerung zu einem guten service public steht – sie erwartet gesicherte, qualitativ gute, flächendeckende und für alle erschwingliche Leistungen.

Die Antwort des Bundesrates auf die dringlichen Interpellationen der Fraktionen beschränkt auf sehr allgemeine Aussagen. Wir lesen: «Der Bundesrat ist enttäuscht über die Vorgänge bei PostAuto Schweiz AG» und «Der Bundesrat erwartet daher eine rasche und lückenlose Aufklärung der Angelegenheit.»

Der Bundesrat ist enttäuscht – ist damit die Pflicht des Eigners erfüllt? – Wo bleibt die Frage nach der eigenen Rolle in der Post AG? Wo hat die Bundesverwaltung zugeschaut, statt die Eignerinteressen durchzusetzen? Wo hat das Jahresergebnis mit einer stattlichen Gewinnablieferung allenfalls zum Wegschauen verleitet?

Postauto-Skandal zeigt fatale Mängel in der Wahrnehmung der Eignerpflichten. Die ersten Erkenntnisse zeigen, dass es Korrekturen braucht:

- Der Eigner hat den Konzernumbau genehmigt, der die Umbuchungen erst ermöglichte. Die Postauto AG würde auch ohne Manipulationen in der Rechnung im Wettbewerb bestehen. Der Bund hat den Verwaltungsrat aber ein Entschädigungssystem für die Kader installieren lassen, das erst die Anreize zu Gewinnverschiebungen und widerrechtlich eingeforderten Subventionen schaffte.

- Die Kontrolle der Teilbereiche der Post AG und ihrer Töchter ist so aufgesplittert, dass die Aufgaben der verschiedenen Kontrollorgane schwer abzugrenzen sind – und wenn zu viele Stellen mit Teil-Kontrollen beauftragt sind, verlassen sich zu viele allzu gerne auf die anderen. Es liegt auch in der Verantwortung des Eigners, die Aufsicht so zu organisieren, dass Aufgabenteilung von PostCom, Bakom, BAV, Revisionsstelle, Finanzkontrolle und den Kantonen funktioniert.

Seit 2007 ist dem BAV bekannt, dass die Postauto AG versucht, die Rechnung zu bessern; noch ging es um «nur» kalkulatorische Zinsen und später um Management Fees. Trotzdem erlaubte die Eignerin die Gründung von neuen Konzerntöchtern, die Gewinnverschiebungen erleichterten, Anreize für ein Bonisysstem schaffte und die Nachvollziehbarkeit der Kostenaufteilungen erschwerte.

- Der Bundesrat hat sich darauf eingestellt, dass Gewinnablieferungen der Post AG regelmässig und üppig in die Bundeskasse fliessen. Und solange Gewinne erwartet werden, nimmt man offensichtlich in Kauf, dass über eine andere Kasse zu viel in die Abgeltung von Personenbeförderungsleistungen bezahlt wird.

- Der Bundesrat wählt den Verwaltungsratspräsidenten und die Mitglieder des Verwaltungsrates. Das Anforderungsprofil verlangt auch «Verständnis für Fragen des service public» - Verständnis für Fragen zu haben, heisst scheinbar nicht, dass man Antworten finden muss. Und weil sie vom Bund ausgewählt sind, existieren offensichtlich Beisshemmungen gegen ihre Verwaltungsräte. Trotz Anzeichen für Unregelmässigkeiten hat die Aufsicht lange nicht reagiert und informiert: So konnte die Rechnung 2016 der Postauto AG nicht genehmigt werden. Dass dies entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht publiziert wurde, zeigt, dass die Verantwortlichen in ihrem Fehlverhalten gedeckt wurden.

Auch wir erwarten - wie der Bundesrat auch, die rasche und lückenlose Aufklärung der Angelegenheit. Dem Ergebnis entsprechend sind die notwendigen Massnahmen zu treffen.

- So sind die Kontrollen zu trennen und aufeinander abzustimmen: der service public-Teil und deren Finanzierung einerseits und die Rechnungslegung des Konzerns und deren Töchter andererseits.

- Die Kontrollen habe alle Konzernteile, insbesondere auch die Berechnung der Poststellendefizite und die Ergebnisse der Car postal France zu umfassen.

- In den Auswahlkriterien für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung muss an erster Stelle eine klare Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem service public Auftrag stehen.

- Die Lohnssysteme und Konzernstrukturen sind von Fehlanreizen zu säubern, die mit Gewinnverschiebungen, umgeleiteten Subventionszahlungen und Zielvorgaben ungerechtfertigte Boni versprechen.

Wir warten gespannt auf die Ergebnisse der Untersuchung, die erforderlichen Massnahmen und allfällige personelle Konsequenzen.