Februar 2010 - Wenn Sie an die gestrige Tagesschau zurückdenken, kommt Ihnen auch eine positive Meldung in den Sinn? Oder erinnern Sie sich an freudige Zeitungsnachricht? Wir haben uns bereits daran gewöhnt, dass man unsere Aufmerksamkeit mit empörenden Neuigkeiten und reisserischen Überschriften sucht. Und ehrlicherweise muss ich zugeben, dass auch ich auf die medialen Aufschreie regiere und hinschaue oder -höre. Ich frage mich aber, ob es mit unserer Welt wirklich immer weiter abwärts geht und das Leben nurmehr gefährlicher wird.

 

 

Zeigt mir denn der Auffahrunfall in der Steiermark, dass alle Automobilisten Raser sind? Ist der Entreissdiebstahl in Bogota Beweis dafür, dass ich mich nicht mehr ins Freie getrauen darf? Weist der Wahlbetrug in Kirgisistan auf ein korruptes Staatswesen bei uns hin? Hat der Zechpreller in Chicago Einfluss auf meinen Alltag, der Flugzeugabsturz in Sichuan mich in Gefahr gebracht? Ja, die elektronischen Medien haben die Welt klein gemacht, Jede Neuigkeit, mag sie noch so weit weg passiert sein, - sie dringt in meine Stube, in meine emotionale Welt ein, - aber wie tief, für wie lange? Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist das Ereignis ein schwerer Schicksalsschlag, für uns folgt am nächsten Tag bereits eine neue, gruselige Nachricht. Alles Mitgefühl vom Vortag ist verflogen. Welchen Sinn machen diese scheinbar so bedrohlichen Hiobsbotschaften aus den hintersten Ecken der Welt, wenn sie unser Leben kaum betreffen ?

 

Schöner wären doch angenehme Nachrichten: Heute hat es auf dem Zürcher Strassennetz keinen einzigen Unfall gegeben! Alle Gäste im Restaurant haben redlich bezahlt. Alle Flugzeuge haben ihr Ziel erreicht. Kein Manager hat abgezockt, kein Bundesrat gelogen, Frau Rüdisühli den Waschküchenschlüssel pünktlich abgegeben, Peterli die Aufgaben freiwillig erledigt. Würden wir nicht genügend gute Nachrichten finden, wenn wir denn wollten? Offensichtlich jammern wir jedoch lieber als dass wir loben und das gute in der Sache suchen. Wir kennen das Bild vom halbvollen und halbleeren Glas, und scheinbar lassen sich mit dem Bild des halbleeren Glases mehr Menschen beeindrucken und mehr Nachrichten verkaufen.

 

In den letzten Jahren haben uns in der Schweiz geradezu in eine kollektive Depression hineingesteigert. Fast alles finden wir schlecht, die Zukunft ist düster, die Mitmenschensind  bedrohlich. Zugegeben, die Schlagzeilen über die Gier einiger Manager und die fehlende Zivilcourage, bei Fehlverhalten der Mitmenschen, einzugreifen, stimmt nicht gerade hoffnungsfroh.

 

Es würde uns aber gut tun, könnten wir uns wieder vermehrt darüber freuen, was wir haben – jeder selber als Person, in der Familie, als Gesellschaft, im Staat - statt darüber zu lamentieren, was man alles auch noch haben könnte. Unsere Infrastruktur ist intakt, unser Rechtssystem funktioniert, unsere Sozialversicherungen helfen uns über Notlagen hinweg. Besinnung auf das Erreichte statt Missgunst gegen andere sollten in den Vordergrund treten. Tragen wir Sorge zu den Leistungen unserer Gemeinwesen, die die Solidarität in der Gemeinschaft und faire Chancen für alle stets hoch gehalten haben. Für die Medien sind diese sozialen Errungenschaften offenbar keine Schlagzeile mehr wert, umso wichtiger, dass wir sie uns immer wieder in Erinnerung rufen.

 

Thomas Hardegger