Juli 2009 - So, der 1.August ist wieder vorbei: Das Feuerwerk eindrücklich gross trotz des knappen Haushaltbudgets und die schönen Reden sind bereits vergessen, - das wenige, was mit einem Ohr aufzunehmen war, hat sowieso so geklungen wie jedes Jahr. Und doch hören wir sie gerne, die Worte zum „Sonderfall Schweiz“, die uns etwas abheben vom Ausland: Die direkte Demokratie mit Abstimmungen und Initiativrecht; die Gemeindeversammlungen, die einem sogar das Recht geben über die Steuerbelastung mitzubestimmen und die Gemeindeautonomie, die uns die Möglichkeit gibt, die Probleme auf „unsere“ Weise zu lösen. Das sind die Worte, - und die Wirklichkeit?

 

An der hochgelobten Gemeindeversammlung erscheinen ein paar Dutzend Stimmberechtigte, meistens sind es neben den Mitgliedern der antragstellenden Behörden einige ehemalige Behördenmitglieder; ab und zu eine Interessengruppe. Schon eine kleine Anzahl kann eigene Interessen – vielleicht gegen diejenigen der Allgemeinheit - durchsetzen. Offenbar genügt es, die Möglichkeit teil zu haben an den direktdemokratischen Rechten ohne Verpflichtung sie auszuüben, - gut ist es einfach zu wissen, dass man könnte, wenn man wollte.

Auf der anderen Seite höre ich nicht selten, wie schlecht wir Behörden doch arbeiteten: Die Gebühren sind zu hoch, der Schulweg des Filius zu lang, das Restaurant am Abend zu laut, die Schneeräumung kommt zu spät, die Antwort auf eine Anfrage erfolgt nicht sofort, die Strasse ist zu löchrig, der Durchgangsverkehr zu schnell - und überhaupt, die da im Gemeindehaus verbrauchen viel zu viel Geld und gespart wird am falschen Ort. Ja, reklamiert ist schnell und jeder weiss es besser, - doch an die Gemeindeversammlung zu gehen, wo die Entscheide gefällt werden, ist dann doch zu mühsam.

Stell dir vor, es herrscht Demokratie und keiner macht mit.

In unseren Gemeinwesen werden viele Aufgaben im Milizsystem –von interessierten Freiwilligen - gelöst. Viele Ideen, Forderungen und Erwartungen werden in den Ortsparteien formuliert und diskutiert. Das kann man gut oder schlecht finden, wenn man aber etwas ändern oder mit beeinflussen will, muss selber aktiv werden; innerhalb oder ausserhalb einer Partei.

Im nächsten Frühjahr sind Behördenwahlen und neue Behördenmitglieder werden gesucht. Die Vorwürfe und Sprüche von den Stammtischen wirken nicht gerade motivierend für Personen, die es sich noch vorstellen könnten, zu kandidieren. Sie stellen viel Freizeit zur Verfügung, vertreten auch unpopuläre aber notwendige Lösungen und geben sich mit einer bescheidenen Entschädigung zufrieden. Dafür erhalten sie ab und zu mal ein Dankeschön,  interessante und anregende Begegnungen und ein beruhigtes Gewissen, sich für die Allgemeinheit eingesetzt zu haben.

Stellen wir uns einmal vor, die Ämter könnten nicht mehr besetzt werden, weil alle lieber motzen statt Verantwortung zu übernehmen. Die Gemeinde müsste die Selbständigkeit aufgeben, allenfalls fusionieren mit anderen Gemeinden, wenn es denn dort genug Freiwillige gibt. Die Gemeindeversammlung müsste abgeschafft werden, die Behördenmitglieder würden Sie nicht mehr persönlich kennen und das persönliche Gespräch wäre nicht mehr möglich.  Passt das zu den wunderbaren Lobreden des 1.August auf unsere Demokratie?

Sind Sie interessiert an der Entwicklung der Wohn- und Siedlungsqualität in Ihrer Gemeinde? Dann geben Sie sich einen Ruck und nehmen Sie zusammen mit von Ihnen motivierten Kolleginnen und Kollegen an der nächsten Gemeindeversammlung teil. Also, auf bald.

 

Thomas Hardegger

Gemeindepräsident Rümlang

Kantonsrat SP, seit 2001