Rede gehalten an der 5G-Demonstration am 21.9.2019 auf dem Bundesplatz in Bern.

Entwicklung Datenverkehr – nicht ohne Mitwirkung der Bevölkerung

Wir müssen feststellen, dass die Mobilfunkbranche ein neues Netz installiert und damit mit ihrem rasanten Tempo bei der Aufrüstung alle Wünsche der Wirtschaft und der Mehrheit im Parlament sogar noch übertrifft.

Doch woher haben Swisscom, Sunrise, Salt und UPC eigentlich den Auftrag erhalten für diesen Infrastrukturausbau? Von der Bevölkerung nicht! Von den Gemeinden nicht! Den Kantonen nicht! Oder wurden Sie gefragt? Nein, die Aufrüstung passiert ohne Auftrag der Bevölkerung.

Die Chefs von Roche, Google, UBS, Givaudan, Swisscom und anderen grossen Konzernen haben den Bundesrat beraten und haben bis jetzt die Strategie zur Digitalisierung der Schweiz bestimmt. So entscheiden alleine die Renditeaussichten, welche Bedürfnisse die Bevölkerung an die Datenversorgung haben soll. Die Bevölkerung soll mehr streamen, up- und downloaden, online-banken / -shoppen / -daten / -wählen und abstimmen / - sich monitoren lassen / -operieren und überwachen lassen und, und, und. Bald werden wir nicht mehr miteinander sprechen müssen: Bis wir einen Gedanken in Worte gefasst haben, hat jemand bereits online geantwortet.

Worüber die Bevölkerung nie gefragt wurde, ist, ob sie zulassen will, dass es keine Ecke in der Schweiz mehr gibt, die nicht ans Netz angeschlossen ist, das heisst, die nicht der Mobilfunk- oder WLan-Strahlung ausgesetzt ist. Sind es 100'000, 500'000 oder eine Million Einwohnerinnen und Einwohner, die strahlungsempfindlich und in ihrem Wohlbefinden eingeschränkt sind oder gar einer unerträglichen Gesundheitsbelastung ausgesetzt werden? Die Anzahl ist irrelevant, denn unsere Bundesverfassung gewährleistet die körperliche Integrität und schützt die Minderheiten. Das alles wird nicht beachtet, wenn alleine die Wirtschaft entscheiden kann, was für sie günstig zu haben ist und schnell Rendite bringt. Menschen, die ihnen keine Einnahmen versprechen, werden nicht beachtet.

Der Schritt von 4G zu 5G ist, wie die Wirtschaft richtig sagt, ein Quantensprung. Die neue Technologie 5G ermöglicht eine Verhundertfachung der Datenmengen, die übertragen werden können, und damit steigt auch das Risiko, dass jemand einer viel grösseren Stahlungsmenge ausgesetzt wird. So habe ich es in der Industriezone meiner Wohngemeinde erlebt, als die neue Technologie installiert wurde und dann mit allen Arbeitskräften als Feldversuch experimentiert wurde, wie die 5G-Technologie einzurichten ist, dass ein Maximum an Leistung rausgepresst werden kann. Klagen über körperliche Beschwerden wurden nicht ernst genommen.

Alle kritischen Fragen zur Belastung, zu Langzeitauswirkungen, zu Steuerung der eigenen Geräte, sogar die Verringerung der Strahlenbelastung des Handys am Ohr, sind für die Mobilfunkbranche geschäftsschädigende Störfaktoren. Auch, ob wir diesen Ausbau brauchen, wenn doch über 90% für Unterhaltungsdienste beansprucht werden und eine Festnetzverbindung die Versorgung strahlungsärmer und zuverlässiger garantieren würde.  Die Mitwirkungsrechte der Bevölkerung würden eine Diskussion auslösen und Fragen aufwerfen: Was brauchen wir denn wirklich? Wie schützen wir uns? Wie verhindern wir, dass mittel- oder langfristig - Schädigungen bei unserer Gesundheit, an unserer Erbmasse, an unserer Umwelt, in unserer Tierwelt auftreten? Und wie schützen wir unsere Freundinnen, Freunde und Bekannte, die elektrosensibel sind und Anspruch auf ein strahlungsfreies Umfeld haben?

Die öffentliche Diskussion ist notwendig, ob mit oder ohne Volksinitiative, ob mit oder ohne Einsprachen zu Antennen und egal, ob die Branche und die Behörden das freiwillig machen oder dazu gezwungen werden müssen. Der Schutz der körperlichen Integrität muss über allem stehen, darum NEIN zur Zwangsbestrahlung, JA zur Wahlfreiheit.

Thomas Hardegger, Nationalrat, SP, ZH