Wochenspiegel Nr. 22

12 Milliarden für den Gotthard-Basistunnel und wohl 24 Milliarden total für das ganze NEAT-Netz werden wir bis zur Vollendung bezahlt haben. Das haben wir bereits 1992 an der Urne bewilligt, - auch weil damit die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene ermöglicht wird.

Am 20. Februar 1994 haben die Stimmberechtigten dann der Alpeninitiative zugestimmt. In Art. 84 der Bundesverfassung wird verankert, dass der alpenquerende Güterverkehr von Grenze zu Grenze auf der Schiene zu erfolgen habe und dass die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet nicht erhöht werden dürfe.  Mit der Forderung der Verlagerung des Transitgüterverkehrs „von der Grenze zur Grenze“ würde die Bevölkerung der ganzen Schweiz profitieren und deshalb werden die milliardenteuren Investitionen breit unterstützt.

 

Kommen Sie sich nicht für dumm verkauft vor, wenn Sie nun bald an die 2,4 Milliarden teure 2. Autobahnröhre zahlen müssen? Wer glaubt denn dem Versprechen von Bundesrätin Doris Leuthard, dass die 2.Röhre nur einspurig genutzt werden dürfe? Wieso soll der Schwerverkehr verladen werden, wenn für „freie Fahrt über die Autobahn“ gesorgt wird? Und welch ökologischer Blödsinn ist es, die Sattelschlepper nach Göschenen hinauf zum Tunnelportal zu treiben, wenn im Talboden eine Schienenvariante zur Verfügung stünde. Die SBB Cargo investiert Dutzende Millionen in Verladeterminals, doch die rollende Landstrasse kann nur kostendeckend betrieben werden, wenn ein Anreiz zur Verladung besteht. Bleibt der Schwerverkehr auf der Strasse, werden die Einwohner in vielen Regionen der Schweiz zusätzliche Immissionen zu ertragen haben.

Damit die Verfassung nicht verletzt wird, sollen die beiden Röhren nach Fertigstellung nur je einspurig befahren werden dürfen. Das hat Frau Bundesrätin an der Medienkonferenz versprochen. Das ist ein absoluter Witz. Viel investieren und dann nicht nutzen dürfen; wie lange hält sich so ein Versprechen? Ist die 2.Röhre einmal gebaut, werden die Camionöre schnell gute Gründe, um die Einschränkung zu löchern.

Ich fahre gerne und regelmässig ins Tessin. Meistens mit dem Zug, denn die Fahrt ist bequem und entspannender als im Auto. Wenn es einmal mit dem Auto sein muss, überlege ich mir gut, um welche Zeit ich losfahre. Mit 17‘000 Fahrzeugen pro Tag gehört die Gotthardstrecke nämlich bei weitem nicht zu den am stärksten belegten Strecken (der Zürcher Nordring zum Beispiel zählt 130‘000 Fahrzeuge pro Tag).

Bereits haben sich die Kantone zu Wort gemeldet. Sie fragen sich nämlich, wie ihre viel dringenderen Verkehrsprojekte finanziert werden sollen, wenn das Geld in die 2.Röhre gesteckt wird. Ich bekomme den Eindruck, dass vor allem die Bauwirtschaft Druck macht, weil sie nach Abschluss des NEAT-Ausbaus keine Folgeprojekte sieht. Dabei gäbe es in den städtischen Regionen genug Abschnitte von Autobahnen und Hauptverkehrsstrassen, die Gemeinden zerschneiden und die Wohnqualität in einem unerträglichem Ausmass beeinträchtigen: Eglisau, Bülach, Rapperswil, Seebach und viele mehr.

Noch ist Zeit, die beschränkten finanziellen Mittel in die richtige Richtung zu leiten. Alle Menschen, die auf eine Entlastung durch Verkehrsimmissionen warten, werden mit der 2.Röhre gehörig in die Röhre gucken.