Februar 2012 - „Ich bin reif, reif, reif, - reif für die Insel,“ singt Peter Cornelius schon 1981. Wie traumhaft schön wird es wohl sein, mit dem Inseldasein die Mühen des Alltags zu vergessen. Wohl würde ich Ruhe und Sorglosigkeit gewinnen, aber viele Beziehungen und manch Liebgewonnenes verlieren. So geht es doch auch uns Schweizerinnen und Schweizer tagtäglich in der Politik.

Frankenstärke, Fluglärmstreit, Flüchtlingsströme, alpenquerender Transitverkehr, Steuerstreit und Erdölabhängigkeit. Aber wir selbst haben uns zu einer Insel gemacht. „Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiß von nichts als meiner seligen Insel,“ hat Friedrich Hölderlin im 19. Jahrhundert geschrieben. So verhält sich die Schweiz, bis sie einst realisieren wird, dass sie auf die Zusammenarbeit mit dem Ausland angewiesen ist.

 

Es ist sicher so, dass unsere gesellschaftlichen Tugenden uns Wohlstand gebracht haben. Fleiss, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, kulturelle Vielfalt und Engagement für die Gemeinschaft: Sie sichern uns Wettbewerbsfähigkeit und Standortgunst. Erfolg führt aber oft dazu, betriebsblind und arrogant zu werden.  Neben besonderen Eigenleistungen sind auch andere Gründe für unseren Reichtum mitverantwortlich:  Jahrzehntelang haben Steuerflüchtlinge ihr Geld in der Schweiz deponiert; viele unserer Konsumprodukte wie Kleider, Schuhe, Elektronik und anderes sind sehr günstig, weil sie durch Kinderarbeit oder unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Diktaturen dürfen Lebensmittel in die Schweiz liefern, auch wenn die eigene Bevölkerung hungert, - und vollverschleierte Frauen und afrikanische Diktatoren sind uns dann willkommen, wenn sie an der Bahnhofsstrasse einkaufen.

Diese Doppelmoral hat uns letztlich isoliert und jetzt, wo es unseren „Partnerländern“ nicht mehr so gut geht, tolerieren sie unsere „gewachsenen Vorteile“ nicht mehr. Immer öfters fehlen uns die Verbündeten in der Welt. Im alpenquerenden Verkehr leiden auch Österreich, Italien und Frankreich, - doch sie unterstützen uns in Europa nicht. Im weiteren wird wenig glücklich verhandelt.  Wieso müssen wir im Fluglärmstreit um Gespräche mit Deutschland betteln, wo wir vor kurzem Deutschland bedingungslos Anflugrechte auf den Flugplatz Friedrichshafen zugestanden haben? Und wieso sind Entwicklungsbeiträge und Tourismusförderung für Nordafrika nicht gekoppelt mit Rücknahmeabkommen für Immigranten ohne Hoffnung auf Bleiberecht? Im Steuerstreit haben uns die Bankmanager jahrelang mit der heiligen Kuh Bankgeheimnis in Geiselhaft genommen; jetzt flehen sie die Behörden an, Ihnen die Auslieferung der Daten zu erlauben.

Wenn wir die Insel verlassen wollen, dann nicht weil sie überflutet wird,- hoffentlich weil wir selbstbestimmt die Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft suchen. Die Welt wird kleiner und der Alleingang eines einzelnen Staates unmöglicher, auch dank des technologischen Fortschritts: Im Verkehr, der Telekommunikation oder den Mediennetzwerken. Wenn wir von unseren Stärken überzeugt sind, dann engagieren wir uns in der Welt: Das ist kein Verlust, - das ist unsere Chance.

Eine Frage bleibt und vielleicht können Sie mir helfen: Bin ich auf der Insel, weil ich niemanden dazukommen lassen will oder bin ich auf der Insel, weil mich die anderen nicht runter lassen?