Zürcher Unterländer

FREITAG, 20. MAI 2011 Rümlang

«Ich will zur Quelle des Entscheids»

Gemeindepräsident Thomas Hardegger will für die Sozialdemokraten nach Bundesbern. Er will endlich dort mitreden, wo Entscheide mit weitreichenden Folgen für die Region fallen. Und auf Listenplatz Nr.1 sieht er auch eine reale Chance.

 

Interview: Florian Schaer

Im Herbst will der Rümlanger nach Bern, um bei Anflugregimen und Pistenplänen ein Wörtchen mitzureden. Bild: Johanna Bossart

Thomas Hardegger, Sie bewerben sich neben dem Ständeratssitz auch für den Nationalrat. Letzteres nicht zum ersten Mal – und kürzlich hatten Sie sich auch um die Nomination als Regierungsratskandidat beworben. Ist kandidieren Ihr neues Hobby?

Thomas Hardegger:
Für den Nationalrat habe ich in den Jahren vorher nicht mit echten Aussichten kandidiert. Mein Name stand jeweils da, weil auf den Listen der Partei alle Regionen vertreten sein sollten.

Und das ist diesmal anders?

Ganz sicher. Die Wahlen im Herbst bieten viel mehr Aussicht auf Erfolg. Weil es unser Parteireglement so vorsieht, belege ich als Ständeratskandidat auf der Nationalratsliste den Platz 1; damit sind die Chancen für die Grosse Kammer mehr als intakt.

Und für die Kleine Kammer? Immerhin hat die SP den Stand Zürich seit Emilie Lieberherr nicht mehr vertreten.

Da muss man realistisch bleiben. Beide Bisherigen treten wieder an, damit wird jeder Neue zum «Aussenseiter». Andererseits gibt aber gerade das die Möglichkeit, zu zeigen, dass man Dinge anders machen möchte, als sie bisher gelaufen sind.

Was muss man da ändern?

Im Ständerat ginge es eigentlich darum, möglichst einen grossen Teil des Kantons zu vertreten. Felix Gutzwiller aber ist ein klarer Vertreter der Bessergestellten – und repräsentiert damit nur eine kleine Gruppe.

Sie aber eine grosse?

Einerseits sähe ich mich als Ständerat mehr als Vertreter des Kantons, der grossen Mehrheit der Bevölkerung und nicht einer spezifischen Lobby. Andrerseits bringe ich eine breite Palette von Themen mit. Ich bin ausgebildeter Sekundarlehrer, kenne also die Bildungshintergründe. Als Gemeindepräsident von Rümlang befasse ich mich mit der Flughafenpolitik, aber auch mit den Finanzen, als Kantonsrat bin ich seit Jahren Mitglied in der Kommission für Planung und Bau. Alles Themen, die alle Zürcherinnen und Zürcher etwas angehen.

Warum wollen Sie das jetzt in Bern behandeln? Reicht da der Kantonsrat nicht?

In Rümlang und Zürich müssen wir uns oft mit den Folgen davon beschäftigen, was in Bern zuvor entschieden worden ist. Ich würde gerne an der Quelle dieser Entscheidungen mitreden können.

Was wäre ein konkretes Beispiel?

Bern entscheidet über das Anflugregime und über den Flughafenperimeter. Das hat Folgen für die Raumplanung, insbesondere in Rümlang. Konkret dann, wenn es um die Pistenverlängerung geht.

Und dann bekämpfen Sie den Fluglärm in Bern zugunsten der westlichen Anrainergemeinden – und zu Ungunsten des Nordens?

Bei der Lärmfrage habe ich stets mitgeholfen, dass man sich über die Interessengemeinschaften hinaus positioniert. Die IG Nord hat sich schliesslich gegen die Pistenverlängerung im Westen ausgesprochen, die IG West dafür gegen die Parallelpiste, die Folgen für den Norden hätte. Und diese Idee werde ich auch nach Bern mitbringen: Allianzen für die Sache schmieden, auch einmal unabhängig von der Partei.

Im Ständerat mag das ja gehen. Im Nationalrat spielt die Parteipolitik aber stärker. Und die SP muss sich wohl oder übel nach Allianzen mit der Mitte umsehen. Was halten Sie derzeit von der politischen Mitte?

Wäre sie zuverlässig, könnte man mit ihr arbeiten. Aber die klassischen Mitteparteien CVP und FDP schielen immer mit einem Auge auf die SVP und lassen sich einschüchtern; weil sie Angst haben, von der Volkspartei vorgeführt zu werden. Die neue Mitte, also die GLP, ist einfach eine bürgerliche. Die Grünen wiederum haben verschiedene Flügel, ein Teil ist in der Bildungspolitik sehr konservativ.

Es wird Ihnen zuweilen vorgehalten, Sie seien auf nationaler Ebene schlicht zu unbekannt. Auch im Vergleich mit Christoph Blocher, der sich mit ums «Stöckli» bewirbt. Touren Sie jetzt mit einem Kampagnen-Truck durchs Land?

Um im Kanton Zürich gewählt zu werden, muss man ja nicht in der ganzen Schweiz berühmt sein. Ich denke, im Unterland bin ich den meisten bekannt. Aber es ist schon so, in Gebieten wie Uster, Wetzikon, Wädenswil oder Richterswil ist noch ein Bedarf da. Hier arbeiten wir mit den Ortssektionen der SP zusammen und werden Podiumsdiskussionen und andere Aktionen veranstalten, auch mit den weiteren Kandidaten.

Neben dem Kantonsrat und dem Gemeindepräsidium sind Sie auch Geschäftsführer Ihrer Immobilienfirma. Würde die Wahl im Herbst klappen, würden Sie zusätzlich noch im National- oder Ständerat sitzen. Das hat unmöglich alles in Ihrer Agenda Platz.

Ich würde als Gemeindepräsident weiterhin im Amt bleiben, hingegen würde ich den Kantonsratssitz räumen. Die Firma ist klein genug, dass man dafür Lösungen finden würde. Sicher, mein Pensum ist derzeit etwa bei 120 Prozent – aber bei wem ist das schon nicht so? Man muss einfach genügend Ausgleich haben.

Und den finden Sie wo?

An den Wochenenden und in den Ferien, wo ich gut auch mal eine Woche ohne Handy und Mail auskommen kann und Zeit habe, zu lesen.

Das neuste Buch von Jean Ziegler?

Derzeit liegt auf meinem Nachttischchen ein Buch mit Erzählungen von John Updike; spannende Betrachtungen über Beziehungen. Ansonsten lese ich aber auch gerne mal Krimis, zum Beispiel von Andrea Camillieri oder auch von Donna Leon. Die sind etwas weniger subtil geschrieben, dafür sind sie aber sehr spannend.«Als Kantonsrat und Gemeindepräsident schlage ich mich mit den Folgen der Flughafenentscheide rum», sagt Thomas Hardegger.