NZZ Online

Freitag, 10.02.2012 Zürich

Andreas Schürer

Der Circle, der gigantische Neubau am Flughafen, nimmt erste Hürden: Die Stadt Kloten hält das Projekt für bewilligungsfähig, zudem ist ein Hotelbetreiber ausgewählt. Noch fehlen aber Mieter und Finanzierungsmodell.

Thomas Kern kommt immer in Fahrt, wenn er vom Circle spricht. So war das auch am Dienstagabend, als der CEO der Flughafen Zürich AG vor dem Efficiency Club über das grösste Hochbauprojekt der Schweiz gesprochen hat. Zentral bei den Terminals und den ÖV-Anschlüssen
sollen auf 200 000 Quadratmetern Nutzfläche ein Konferenzzentrum für 1500 Besucher, Büros, Hotels, Restaurants, Bars und Dienstleistungsangebote in Bereichen wie Gesundheit und Schönheit oder Aus- und Weiterbildung entstehen.

«Flughäfen entwickeln sich typischerweise von Verkehrsdrehscheiben zu kommerziellen Zentren», sagte Kern, und er schwärmte von dem Siegerprojekt des japanischen Architekten Riken Yamamoto. «Der Flughafen», sagte Kern, «soll mehr noch als heute zu einer eigenen Destination
werden, zu einer Airport City.»

Eigene Aktiengesellschaft
Ob diese Vision wie geplant im Jahr 2017 Wirklichkeit wird, ist noch unsicher. Erste Erfolge sind allerdings erzielt. So erachtet die Stadt Kloten, bei der das Baugesuch des Flughafens liegt, das Projekt als bewilligungsfähig. Stadtpräsident René Huber bezeichnet es als realistisch, dass noch in der ersten Jahreshälfte 2012 grünes Licht erteilt werden kann. Zudem hat der Flughafen, wie Kern vor dem Efficiency Club sagte, eine internationale Hotelkette gefunden, welche die beiden im Circle vorgesehenen Hotels betreiben wird, eines im 4–5-Sterne-Bereich, eines mit 3 Sternen. Noch ist die
Tinte des Vertrags nicht trocken, doch in den nächsten Wochen soll der Name der Kette bekannt werden.

Nun aber den Schluss zu ziehen, die Circle-Finanzierung sei gesichert und das «Mega-Projekt» stehe, wie das «20 Minuten» in der Ausgabe vom Donnerstag getan hat, bezeichnet der Flughafen als falsch. CEO Kern sagt: «Damit das Projekt realisiert werden kann, müssen weitere
Vermarktungserfolge vorgewiesen werden können, und es muss Klarheit herrschen über die Beteiligungs- und Finanzierungsstruktur sowie über die Investitionskosten.»

Knacknüsse sind hauptsächlich noch, eine Firma als Zugpferd zu finden, welche auf 40 000 Quadratmetern Fläche ihren Hauptsitz einrichtet, und das Finanzierungsmodell. Die Gesamtkosten von rund einer Milliarde Franken will der Flughafen nämlich nicht alleine aufbringen. Geplant ist die Gründung einer losgelösten Aktiengesellschaft, gewissermassen eine Circle AG, an welcher der Flughafen massgeblich beteiligt sein, aber auch ein Drittinvestor zugelassen werden soll. Bis Ende Jahr soll das Modell stehen.

Neue Erträge generieren
Klar ist: Für den Flughafen hat der Circle höchste Priorität. Der CEO Kern steckt persönlich viel Herzblut in das grossangelegte Vorhaben – und er kalkuliert natürlich auch. Kern sagt im Gespräch mit der NZZ: «Auf langfristig strategischer Ebene ist der Circle eine der Möglichkeiten, neue Erträge
zu generieren, wenn das Wachstum im aviatischen Bereich an natürliche Grenzen stossen wird.»

Dies dürfte, ein durchschnittliches Wachstum der Passagierzahlen um drei bis vier Prozent jährlich vorausgesetzt, ungefähr zwischen 2020 und 2025 der Fall sein. So betrachtet sei es für den Flughafen keine Option, das attraktive Gelände am Fusse des Butzenbüel-Hügels an den Meistbietenden zu verkaufen, sagte Kern, stattdessen solle es für die Weiterentwicklung des Flughafens als Premium-Adresse genutzt werden.

Non-Aviation-Geschäft bringt viel Geld
Schon heute ist der Flughafen nicht mehr nur eine Verkehrsdrehscheibe. Die Konzession verpflichtet ihn zwar, Direktverbindungen zu den wichtigsten Metropolen zu gewährleisten. Die Aktiengesellschaft betreibt mit dem Airport-Center und den Kommerzflächen auf der Luftseite aber längst auch ein Shoppingcenter, das zweitgrösste der Schweiz notabene. Knapp 40 Prozent der Gesamteinnahmen im Jahr 2010 stammten aus dem Non-Aviation-Geschäft. Für Kern widersprechen sich die Bereiche Verkehr und Kommerz nicht: «Ein florierendes Kommerzgeschäft ermöglicht erst, ein guter Flughafen zu sein.»

Ohne die Einnahmen aus dem Non-Aviation-Bereich wäre es zum Beispiel nicht möglich gewesen, das kürzlich eingeweihte Dock B so hochwertig zu bauen – «dann hätte man sich wohl mit einem einfachen Bau mit Wellblechdach begnügen müssen», sagt Kern schmunzelnd. Diese Entwicklung,
meint der Flughafen-CEO, wird weitergehen – in Richtung Dienstleistungszentrum, in Richtung Airport City.

Rümlanger Gemeindepräsident ist skeptisch
Keine Freude an dieser Tendenz hat Thomas Hardegger, Gemeindepräsident von Rümlang und SP-Nationalrat. Er wolle Kloten zwar «nicht in die Suppe spucken», für Rümlang könne das Projekt aber unangenehme Folgen haben. So werde das regionale Verkehrsnetz weiter belastet, was
allenfalls eigene Projekte dereinst behindern könnte.

Zudem werde das eigene Gewerbe zusätzlich konkurrenziert. Hardegger meint: «Ich bin nicht sicher, ob die Bevölkerung diese Entwicklung wollte, als sie der Privatisierung des Flughafens zugestimmt hat.»