Zürcher Unterländer Online

Freitag, 24.02.2012 Zürich

Florian Schaer

Standortförderung ist die Diplomatie zwischen Wirtschaft und Politik. Der direkte Nutzen liegt im persönlichen Kontakt, sagt Thomas Hardegger. Doch bilanzieren lässt sich dies nie in Franken und Rappen.

«Wenn der Schreiner wegzieht, verliert Rümlang Lebensqualität.»

Herr Hardegger, in und um Rümlang engagiert sich eine ganze Menge von Standortförderern. Dabei hat die Gemeinde schon so viele Firmen. Wann ist
Rümlang eigentlich fertig gefördert?

Thomas Hardegger:
Gar nie. Ein Standort entwickelt sich. Und die Standortförderung muss Schritt halten, um die Rahmenbedingungen für die Betriebe möglichst ideal zu halten.

Und dazu braucht es Industrieverein, Gewerbeverein, Wirtschaftsnetzwerk, Greater Zurich Area und die Metropolitankonferenz gleichzeitig?

Sie verfolgen alle unterschiedliche Ansätze: Industrie und Handelsverein oder Gewerbeverein vernetzen die Rümlanger Betriebe miteinander. Der Verbund Wirtschaftsnetzwerk und Standortentwicklung Flughafenregion versucht, die Region als Ganzes zu vermarkten. Dass es vielleicht in einzelnen Anliegen Überschneidungen gibt, ist kaum zu vermeiden. Aber Rümlang ist beispielsweise nicht Mitglied bei der Standortförderung Züri Unterland, weil wir diese Ebene mit der Flughafenregion schon abgedeckt haben. Die Metropolitankonferenz wiederum vergleicht Zürich mit Mailand oder Paris.

Eine Überschneidung ist doch, dass alle möglichst viele Firmen nach Rümlang holen wollen.

Standortförderung heisst nicht nur, Firmen in eine Gemeinde zu holen. Es bedeutet genauso Bestandespflege: Die Betriebe pflegen, die wir schon haben. In Kontakt sein mit der lokalen Wirtschaft, ihre Bedürfnisse kennenlernen und versuchen, politisch darauf zu reagieren.

Welche Bedürfnisse sind das?

Zum Beispiel findet ein grosses Unternehmen, das Angebot an öffentlichem Verkehr sei ungünstig. Oder man hat das Bedürfnis nach mehr Krippenplätzen. Oder aber ein Betrieb möchte grösser werden und fragt bei uns nach, was baupolitisch möglich ist.

Und dann reagiert die Politik und mischt sich über die Standortfrage in die Privatwirtschaft ein.

Öffentlicher Verkehr, Bildung, Infrastruktur all das sind doch ohnehin Aufgaben, die eine Gemeinde nach der Kantonsverfassung zu erfüllen hat. Die Behörde kann helfen, indem sie die nötigen Bauabklärungen vornimmt. Das ist übrigens auch ein Ziel des Vereins Flughafenregion Zürich: Man will fast rund um die Uhr erreichbar sein, den direkten Kontakt zwischen Firmen und den Behörden sicherstellen; und wir helfen den Betrieben mit dem Papierkrieg.

Firmen sind also Könige, für welche die Gemeinde «höbelet»?

Nein. Es ist ein Geben und Nehmen. Die Firmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Sie stellen Arbeitsplätze bereit und sie zahlen Steuern. In Rümlang stammen derzeit 23,7 Prozent der Einnahmen von juristischen Personen. Wir haben also ein grosses Interesse daran, dass es für die Betriebe gut läuft und dass sie auch in Rümlang bleiben.

Und wie stellen Sie fest, ob die Standortförderung überhaupt einen Nutzen hat?

Das ist nicht messbar. Aber der Kontakt zwischen Politik und Wirtschaft ist für beide Seiten sehr wertvoll. «Gouverner, c?est prévoir» gerade auch für
Milizpolitiker ist es entscheidend, zu wissen, was das Gewerbe braucht und was auf uns zukommt.

Rümlang konnte mit dem neuen Finanzausgleich die Steuern senken. Das ist doch für eine Firma die viel effektivere Standortförderung.

Wenn wir bei den Firmen nachfragen, warum sie einen Standort wählen, dann hören wir zunächst den öffentlichen Verkehr, die Nähe zu Ausbildungsplätzen, die Sicherheit und die verfügbaren Krippenplätze als Argumente. Mit solchen Angeboten macht man einen Standort attraktiv. Die Steuern sind sicher auch bedeutend, kommen aber weiter unten auf der Liste.

Wie sieht denn die Entwicklung derzeit aus? Bleiben alle brav hier?

Wo früher mehr Industrie und Logistik standen, geht es heute mehr in Richtung Dienstleistung. Weil der Boden so nahe bei der Stadt immer teurer wird, will jede Firma mehr Wertschöpfung pro Quadratmeter erreichen. Aus raumplanerischer Sicht ist das eine gefährliche Entwicklung.

Was ist daran gefährlich?

Wenn der Schreiner im Dorf wegziehen muss, weil er sein Geschäft nicht für die neue, zwei Meter lange Maschine ausbauen kann, dann verliert das Dorf einen Betrieb, den es bräuchte. Nehmen Sie das grosse Überbauungsprojekt «Circle» beim Flughafen. Das zieht auch kleine Betriebe und Praxen rund um die Gesundheitsversorgung an. Für uns in Rümlang ist das keine gute Entwicklung, weil allenfalls einheimisches Gewerbe konkurrenziert wird und abwandert und bei uns das Angebot kleiner wird.

Aber Kloten ist in derselben Flughafenregion, die «standortgefördert» wird. Also hilft Rümlang noch mit, dieses Problem zu verschärfen?

Natürlich gibt es immer wieder Fragen, zu denen sich jede Gemeinde allein äussert, nur sich selber vertritt und zu den übrigen Kommunen in Konkurrenz steht. Über alles gesehen, hat der Verbund aber viele Vorteile. Wir können uns mehr Personalaufwand leisten. 200 Stellenprozente wären für Rümlang allein übertrieben; aber für die Flughafenregion ist es vertretbar.

Standortförderung ist steuerfinanziert. Was hat der einzelne Steuerzahler davon?

Abgesehen von den Steuererträgen bringen die Firmen Arbeitsplätze ins Dorf. Und dann ist die Versorgung vor Ort entscheidend für die Lebensqualität. Das können der Bäcker, der Schreinermeister und die beiden Coiffeursalons sein, zwischen denen der Kunde auswählen kann. Zudem sponsert der Handwerker vielleicht den örtlichen Sportverein; das wiederum trägt auch zum Dorfleben bei. Und dann profitiert ein Rümlanger auch von Verbesserungen des öffentlichen Verkehrs, von der Glattalbahn beispielsweise. Und indirekt profitiert er noch von anderen Dingen. Ein Beispiel: Eine grosse Firma hier bietet ihren Mitarbeitern Eintritte ins Rümlanger Hallenbad an, das wir eben für 3,5 Millionen Franken saniert haben. Damit wird das Defizit des Bades geringer und der Rümlanger hat weniger zu bezahlen.

Für den Standort
Industrie und Handelsverein und Gewerbeverein Rümlang: Wollen vor Ort gute Rahmenbedingungen schaffen und vernetzen die Betriebe untereinander. Kosten für Rümlang: etwa zwei Franken pro Einwohner und Jahr.

Wirtschaftsnetzwerk und Standortförderung der Flughafenregion: 2010 aus der Organisation glow.das Glattal herausgelöst, will der Verein die Gebiete rund um den Flughafen als Region vermarkten. Kosten: 2,50 Franken pro Einwohner und Jahr.

Metropolitankonferenz Zürich: Will den Grossraum Zürich gegenüber anderen europäischen Städten als Wirtschaftsraum attraktiv halten und bewerben.

Hinzu kommen die Greater Zurich Area, die Firmen im Ausland akquirieren will, oder die Standortförderung des Kantons Zürich. Auf deren Tätigkeiten hat Rümlang keinen direkten Einfluss und kann nicht bei oder austreten.
(flo)