Gefahr im Spitalbett

11. Juni 2013 22:23; Akt: 11.06.2013 22:23

Kampf gegen Superkeime wird Bundessache

von J. Pfister - Etwa 2000 Personen sterben pro Jahr an Infektionen, die sie sich im Spital zugezogen haben. Nun muss der Bundesrat gesetzliche Hygienemassnahmen erarbeiten.

Eigentlich suchen Patienten ein Spital auf, um gesund zu werden. Doch Krankenhäuser können auch gefährlich sein. So infizieren sich gemäss Studien jährlich 70'000 Patienten aller Alterstufen mit Keimen, die sie dort aufgelesen haben – für über 2000 Personen endet diese Infektion mit dem Tod. Erschreckend: In mindestens einem Drittel der Fälle ist die fehlende Handhygiene der Ärzte und Pfleger Schuld an der Infektion.

Bisher fehlten jedoch behördliche Vorgaben, welche die Krankenhäuser und ihr Personal zwingen, sich an klare, einheitliche Hygieneregeln zu halten. Dass soll sich nun ändern. Der Bundesrat muss unter Einbezug der Kantone ein nationales Programm für die Verbesserung der Hygienemassnahmen in Spitälern erarbeiten. Der Ständerat hat am Dienstag einen entsprechenden Vorstoss aus dem Nationalrat an den Bundesrat überwiesen. Allerdings stimmten die Räte nicht allen Punkten der Motion zu.

 

Gefürchteter Superkeim

Einer der gefürchtesten Spitalkeime ist der MRSA. MRSA ist die Abkürzung für «methicillinresistenter Staphylococcus aureus». MRSA wird gemäss dem Verein Swissnoso vorwiegend über die Hände übertragen. Einige Menschen tragen den Bakterienstamm ständig, erkranken aber nicht daran. Häufig handelt es sich dabei um Personen, die vorher in einem Spital behandelt wurden oder dort arbeiten. Solche Personen können MRSA übertragen, ohne etwas davon zu wissen, und dadurch ungewollt zur Verbreitung von MRSA-Infektionen beitragen – indem sie sich zum Beispiel die Hände nicht waschen. Das Besondere am MRSA-Keim ist, dass die meisten Breitband-Antibiotika nicht gegen ihn wirken können – er ist also multiresistent. Für gesunde Menschen mit einer starken Immunabwehr sind MRSA-Bakterien in der Regel harmlos. Ist die Abwehrkraft geschwächt – was bei Spitalpatienten häufig der Fall ist - kann es jedoch zu einer Ansteckung kommen. MRSA-Erkrankungen können in Form von eitrigen Haut- oder Weichteilentzündungen auftreten. Auch Lungenentzündungen oder Sepsis (Blutvergiftung) sind möglich.

So lehnten sie es ab, dass der Rechtschutz von betroffenen Patienten mit Entschädigungsansprüchen verbessert wird. Ebenfalls waren sie dagegen, dass Spitälern, die die Hygieneregeln nicht einhalten, finanzielle Mittel entzogen werden.

Infektionen kosten jährlich Milliarden

Motionär und SP-Nationalrat Thomas Hardegger ist zufrieden, dass sich in punkto Spitalhygiene etwas bewegt, sagt aber auch «Wenn die Infektionen trotz neuer Richtlinien in den nächsten Jahren nicht zurückgehen, muss der Bundesrat Sanktionen ins Auge fassen.» Frankreich greife bei mangelnder Hygiene bereits zur Kürzung der Mittel, in Deutschland gibt es ein Hygienegesetz, dass ebenfalls Sanktionen gegen nachlässige Institutionen zulässt. Für Hardegger ist klar, dass mit einer besseren Hygiene nicht nur viel Leid verhindert, sondern auch Geld gespart werde. «Infektionen kosten uns 250 Millionen Franken jährlich.»

Patientenschützerin und GLP-Nationalrätin Margrith Kessler erfährt täglich, wie sich Patienten im Spital eine Infektion einfangen. «Weil das Arztpersonal Hygienevorschriften missachtet, kommt es zum Beispiel vor, dass ein mit Keimen infizierter Patient seinen Zimmernachbar ansteckt.» Dies zu beweisen, sei jedoch oftmals schwierig. Die Stiftung für Patientenschutz (SPO) habe auch schon versucht, mit einer Broschüre die Patienten zu sensibilisieren. Darin empfiehlt die SPO, den Arzt vor der Behandlung explizit zu fragen, ob er sich die Hände gewaschen hat. Doch dieser Schritt brauche sehr viel Mut. «Es ist deshalb wichtig, dass der Bund nun handelt.»

«Sanktionen verbessern Qualität nicht»

Für Andreas Widmer von der Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene am Universitätsspital Basel ist es höchste Zeit, dass die Schweiz die Hygiene in Spitälern verbessert. «Weil das Personal unter Zeitdruck steht oder die Krankenhäuser aus Spargründen auf Kontrollen verzichten, wurde dieser Aspekt bisher zu wenig beachtet.» Es brauche landesweit gültige Vorschriften für Hygienestandards, damit die Zahl der Infektionen durch Keime nicht noch zunehme.

So reicht es laut Widmer nicht aus, die Hände vor Arbeitsbeginn und vor medizinischen Kontakten mit den Patienten zu waschen. Die heutigen Hygieneregeln erforderten, dass sich das Personal bis zu 20 Mal pro Stunde die Hände mit einer alkoholischen Flüssigkeit sorgfältig desinfiziere. «Es gibt heute genügend entwickelte Kontrollsysteme, um diese Hygienestandards zu überprüfen», so der Arzt. Von Sanktionen hält Widmer allerdings wenig. «Bestrafungen führen selten zu einer Verbesserung der Qualität, vielmehr besteht dann die Gefahr, dass einfach nur Statistiken verschönert werden.»